Einwanderer und Rechtswanderer

28.05.2001

Der britische Premierminister Tony Blair hat die jüngsten rassistisch motivierten Krawalle in der nordenglischen Stadt Oldham als "absolut inakzeptabel" verurteilt. Zugleich vertrat Blair die Ansicht, die gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Jugendlichen weißer Hautfarbe und jenen asiatischer Herkunft seien "keineswegs typisch für die Rassenbeziehungen" in Großbritannien. In Oldham bei Manchester war es auch in der Nacht zum Montag wieder zu Ausschreitungen gekommen. Die Polizei nahm 12 Jugendliche fest. Bereits in der Nacht zum Sonntag hatten sich etwa 500 Jugendliche asiatischer Herkunft sieben Stunden lang Straßenschlachten mit der Polizei geliefert. Dabei wurden mindestens 25 Menschen verletzt.

Der stellvertretende Polizeichef von Manchester, Alan Bridge, machte auf einer Pressekonferenz unter anderem "auswärtige Elemente" für die Gewalttaten verantwortlich. Die Polizei werde ihre "harte Haltung" gegenüber den Randalierern beibehalten.

Während Repräsentanten der Bevölkerungsgruppen aus Pakistan und Bangladesch heute zur Ruhe aufriefen, wurde die Stimmung von rechtsradikalen britischen Politikern angeheizt. Der Vorsitzende der British National Party (BNP), Nick Griffin, sagte der BBC: "Oldham ist nur die Spitze des Eisbergs. Dasselbe kann im ganzen Land passieren." Griffin ist BNP-Kandidat für Oldham. Umweltschutzminister Michael Meacher, der für die Labour-Partei den Wahlkreis von Oldham vertritt, sprach von "Provokationen", mit denen die Bevölkerung asiatischer Herkunft zu einer "gewaltsamen Reaktion" herausgefordert werden solle. Unterdessen warfen die Liberaldemokraten im Wahlkampf der Konservativen Partei von William Hague vor, durch "anstachelnde Äußerungen" zur Asylpolitik zu einem "Klima der Intoleranz" beigetragen zu haben, das sich jetzt in Oldham offenbare.

Oldham sollte jedem Politiker eine Lehre sein. Gewöhnlich fehlt den Politikern die Einsicht in die karmische Kausalität zwischen gedachtem Geist und realisierter Handlung. Fakt ist: Die geistige Brandstifung entzündet in Oldham die Läden und die Gemüter. Obwohl Blair und seine Labourpartei haushoch zu gewinnen scheinen, haben sie nicht darauf verzichtet die Asylpolitik zum Wahlkampfthema zu machen.

Auch in Dänemark, wo es bei den bevorstehenden Wahlen für die regierenden Sozialdemokraten wahrlich nicht rosig aussieht, hat man sich schon seit einem Jahr in rechtspopulistischen Tönen geübt, - wie es scheint mit Erfolg. Nach den Regierungsvorschlägen von Kasernierung von kriminellen Einwanderern auf öden Inseln, Gebetsverbot am Arbeitsplatz und Ausnahmegesetze für Einwanderer sind die Sozialdemokraten nach mehreren Meinungsumfragen der letzten Wochen mit den rechtspopulitischen Äußerungen von Seiten hochrangiger Minister offenbar recht erfolgreich gewesen.

Die Entwicklung in Dänemark und Großbritannien ist von daher sehr beunruhigend, weil sich auf europäischer Ebene ein sozialdemokratischer Trend abzuzeichnen scheint: Sozialdemokraten überall in Europa versuchen die rechte Opposition durch einen kostenlosen, verbalen, und leider auch tätlichen Zug nach rechts an die Wand zu drücken, auf dem Rücken der marginalisierten Nichtwähler, - den Einwanderern und Asylanten. Auch Gerhard Schröder versucht die Mitte und die sanfte Rechte politisch abzudecken. Es bliebt zu hoffen, dass er die Toleranzgrenze nicht überschreitet.

Ein weiteres Problem ist das Versagen der Exekutive und Judikative. Dieses Versagen ist systembedingt, doch die Einwanderer müssen herhalten und es führt zur generellen Etikettierung der Einwanderer als gemeinhin kriminelle "Elemente". Die Polizei verwechselt hier oft Ursache und Wirkung, wie der Polizeichef Alan Bridge, der nicht die gesellschaftliche Ausgrenzung und Marginalisierung als Ursachen für die Gewaltätigkeit der Einwanderer sieht, die Michael Meacher korrekt als hervorprovoziert bezeichnete.

Es ist schon anachronistisch, wenn in Dänemark die Kriminalität der Einwanderer auf Seite 1 ausführliche Berichterstattung erfährt, während Morddrohung und psychischer Terror gegen Einwanderer in den Statistiken nicht erscheint, weil die Anzeigen aus Kapazitätsgründen nicht behandelt werden können. Außerdem freut sich die Polizei, wenn die Zügel von den Politikern nicht länger so stramm gehalten werden. Es gab Zeiten, da traute sich im antiautoritären Staate Dänemark die Polizei kaum ihr Gewaltmonopol auszuüben, aus Angst vor Untersuchungsausschüssen. Diese Zeiten sind nun aus und vorbei. Jetzt heißt es von Seiten der Politiker: Nur zu - Knüppel raus.