Kaufkraft und Verfügungsmacht

01.03.2000

Geld: eine Sache der Abmachungen und Ansprüche

Die Einführung der Euro bietet eine schöne Gelegenheit um sich mal näher mit der Frage zu beschäftigen wie unser heutiges Geldsystem eigentlich funktioniert. Im ökonomischen Gedankengut Rudolf Steiners können wichtige Anhaltspunkte dafür gefunden werden. Am Schluss seines Werkes "National Ökonomischer Kurs" forderte er die Teilnehmer dazu auf zur Basis zurückzukehren und sich die Tagesordnung einer einfachen Gemeinschaft vorzustellen. Von daraus würde man einsehen können warum das Geld in der modernen Ökonomie eigentlich eine Faktor an sich geworden ist. Danach würde man wie von selbst zur Einsicht kommen müssen dass Geld im Laufe der Zeit eigenlich seinen Wert verlieren müsste. Versuchen wir das mal.

Geld ist eine Regelung

Was ist Geld? Das erste was man dabei feststellen müsste ist dass Geld nicht so ganz eindeutig umschrieben werden kann, weil die Erscheinungsform und Arbeitsweise die meist auseinanderlaufenden Formen annehmen können. Geld ist ja an erster Stelle eine von Menschen geschöpfte Regelung. Was nun in dieser Regelung zum Ausdruck kommt ist die eigentliche Frage.

Geld repräsentiert vor allem "Kaufkraft": das Vermögen Verfügungsmacht über samtliche Sachen zu erwerben. Aber welche Sachen sind dies denn, und wie weit streckt sich dabei die Verfügungsmacht aus? Durch diese Frage wird die Sache schon etwas konkreter. Es zeigt auf der Stelle dass man eigentlich nicht ohne weiteres über Geld reden kann. Geld ist nicht etwas selbständiges: Geld ist ein Repräsentant.

Mit Geld kann man Nahrungsmittel kaufen und dann vollkommene Verfügungsmacht darüber ausüben; man kann sie essen oder wegwerfen. Man kann sich mit dem Geld auch Land kaufen, aber die Verfügungsmacht ist dann einigermaßen eingeschränkt durch zum Beispiel ein Verbot auf Giftschüttung. Mit anderen Worten: sobald man über Geld nachzudenken anfängt, stösst man auf Rechtsfragen und insbesondere auf das Eigentumsrecht. Je mehr Möglichkeiten es gibt um Eigentumsrechte zu erwerben, desto mehr Möglichkeiten das Geld zu bieten hat. Auf dieser Weise konnte man früher Menschen kaufen.

Wer nun eine Banknote von 100 Euro in der Hand hat, darf sich fragen was dies nicht alles zum Ausdruck bringt. Es ist sozusagen ein Anteil in allerlei Eigentumsrechte. Heutzutage gibt es da so viele Möglichkeiten, dass es verrückt wäre dies alles nachzuschlagen. Trotzdem kann man darin ziemlich weit gehen und die seltsamsten Sachen entdecken.

Von der Vergangenheit aus in die Zukunft

Es stellt sich heraus dass die seltsame Sachen worauf mann bei einer Gelderforschung stösst sich vor allem auf das Phänomen beziehen dass in dem Geld uralte Ansprüche verborgen sind die noch bis in die weite Zukunft eine Auswirkung haben können. Denken Sie mal an dem Grossgrundbesitz; spektakuläre Beispiele davon findet man in England, wo der Altadel schon seit hunderten von Jahren keine Enteignungsrevolution gekannt hat, oder bei dem Nachwuchs der spanischen Konquistadores in Mittel- und Süd-Amerika mit ihren ausgestreckten Plantagen. Näher in Raum und Zeit ist der holländische Häusermarkt, wobei viele Menschen ihr Vermögen verdoppeln sahen indem sie ganz einfach in ihrem Haus (bzw. auf dem Boden) "saßen". Man muss aber kräftig weiterdenken wenn man wirklich eine Ahnung davon haben will was nicht alles von der Vergangenheit aus noch immer seine Auswirkung hat in dem Geld. Grundbesitz vereinfacht diese Einsicht aber in großem Maßen.

In seiner Allgemeinheit ist Land etwas, was in vielen Hinsichten von sich selbst aus schon produktiv ist. Bei einer wachsenden Bevölkerung schon ausschließlich dadurch dass es jeder haben möchte um darauf zu wohnen. Außerdem kann man sich die Früchtbarkeit des Landes vorstellen. Der Punkt ist dass man für diese und ähnliche Vorteile gar nichts zu tun braucht. Die gängliche ökonomische Wissenschaft betrachtet privatbesitz und insbesondere Grundbesitz aber als ein großes Gut. Es stimuliert Investierer schließlich dazu Initiative zu entfalten.

Sagen wir mal jemand hat tüchtig gearbeitet und entscheidet dass er von seinem gesparten Geld ein Grundstück kaufen möchte. Immerhin läuft er das Risiko dass sein Grundstück Wert verliert durch zum Beispiel Überschwemmungen, Rückläufe in der Bevölkerung undsoweiter. Dort gegenüber steht die Chance auf Gewinn. An sich ist Gewinn auch legitim in Bezug auf das Risiko das man eingegangen ist. Aber was sich allzu oft herausstellt ist das man sein Spargeld längst zurückverdient hat, schon längst sein Risiko kompensiert hat und sich auf seinen Lorbeeren ausruhen kann. Andere können jetzt für einen arbeiten oder für seine Kinder, Enkelkinder undsoweiter. Dieser Prinzip, der Erwerb von Einkünfte aus dauerndem Besitz von Produktionsmitteln, hat noch ganz andere Auswirkungen auf das Geld als nur mittels Land. (Rudolf Steiner nannte gerade diesen Prinzip den Basisfehler des Kapitalismus: "das fünfte Rad am Wagen" (1))

Der riesige Wachstum der Technologie in den letzten 200 Jahren hat solche Situationen nur noch verstärkt. Siehe für die Analogie mit dem Grundbesitz der Fakt dass Technologie, genau wie Natur, von sich aus schon eine enorme Produktivität besitzen kann. Der Prinzip ist vielleicht sogar einfacher warnehmbar wenn es sich um Aktien in Firmen handelt. Auch hier gibt es viele Momente worauf das Verhältnis zu den eingegangenen Risiken vollkommen verschwunden ist, wodurch eine Situation entsteht in der die Mitarbeiter in der Firma den Kapitalverschaffern untergeordnet bleiben. Das Geld das Sie nun in ihrer Hand haben wird deshalb langsam immer wertloser weil zuviele Ansprüche aus der Vergangenheit daran hängen bleiben; es gibt zuviele Menschen die auf dieser Basis davon profitieren. In Essenz ist dies der wichtigste und (un)eigentlicher Grund der Inflation.

Der Prinzip des Dauerbesitzes hat aber noch eine andere Erscheinungsform, nämlich das Geld selbst. Geld darf schon an sich ein Repräsentant aller möglichen Rechtsregelungen sein, aber woher kommen die Banknoten?

Eine Dorfswirtschaft

Um besser verstehen zu können wie das Geldsystem heutzutage funktioniert, ist es gut sich eine einfache, geschlossene Dorfswirtschaft vorzustellen. Um dem Dorf herum befindet sich Ackerland das von einem großen Teil der Dorfsbewohner bearbeitet wird. Außerdem gibt es natürlich Kinder, Kranke und Greise; diese brauchen Pflege und Unterricht. Sie können sich also vorstellen dass das Dorf einen Lehrer und einen Artzt hat. Diese haben weniger oder sogar gar keine Zeit um auf dem Land zu arbeiten. Faktisch läuft es darauf hinaus, dass beide von den verschiedenen Bauern einen Teil der Ernte bekommen. Wenn dies auf einer solchen Weise arrangiert wird dass die beiden Zettel bekommen die sie im Laufe des Jahres bei den Bauern einreichen können, dann kommt dies schon ziemlich nah an unsere heutige Vorstellung vom Geld heran. Kurios ist vor allem, dass wenn der Lehrer so ein Zettel beim Bauer einreicht, dieser Zettel seinen Wert verloren hat. Das Geld ist "verbraucht".

Sagen wir jetzt dass der Lehrer kein bourgondischer Typ ist und nicht all seine Zettel einreicht, sie aufhebt. Im nächsten Erntejahr kommt er mit ein paar alten Zettel zum bezüglichen Bauer. Was dann? Dan sagt der Bauer: "Ich habe schon noch ein paar ausgetrocknete Karotten aus dem letzten Jahr, die du nicht bei mir abgeholt hast. Die kannst du haben. Für die diesjärige Ernte musst du neue Zettel mitbringen."

Wie einfach dies sein mag; daraus darf man auf jeden Fall folgern dass es zwischen Geld aus verschiedenen Jahren deutliche unterschiede gibt.

Zentrale Distribuierung

Nun kann es sich herausstellen dass es außerordentlich nützlich wäre wenn in dem Dorf ein zentraler Koordinierungsorgan sich um die Herausgabe der Zettel kümmert. Verstehen Sie aber dass dies nicht einfach ein praktischer Entschluss ist, aber dass der Geldausgabe allerhand Rechtsregelungen zugrunde liegen. Wenn die Leute im Dorf zusammen den Lehrer bezahlen möchten, dann verweist dies auf ein Recht auf Unterricht. Beim Artzt handelt es sich um ein Recht auf Pflege. Bei den Kindern können sie sich eine Art Kindergeld vorstellen, die doch ein unabhängiges Recht auf Einkommen/Pflege/Erziehung als Grundgedanke hat. Für Greise gilt etwas Ähnliches.

Es ist schon ein kompliziertes Etwas mit all den Zetteln die man bei all den Bauern einreichen kann. Es wäre praktischer wenn die Bauern ihre Ernte abtragen würden und den Rest einem Distribuierungsorgan überlassen würden. Dieser Distribuierungsorgan gibt dann die Zettel heraus und man muss nur dorthin gehen um sie zu Geld zu machen. Dieser Organ hat natürlich auch Mitarbeiter die von der Arbeit auf dem Land freigestellt werden und Zettel empfangen.

Noch immer ist es so dass bei Einreichung das Geld verschwindet, und Geld pro Erntejahr unterschiedlich ist. Das Geld ist aber mehr universal geworden. Es wird immer verlockender um es als Tauschmittel zu benutzen. Vor allem wenn man eines Tages keine Zettel für Milchprodukte, Gemüse und Fleisch mehr unterscheidet, aber "einfach" (aber schon wohldurchdacht) eine Zahl darauf schreibt, als Repräsentant der ganzen Ernte.

Die gegenseitige Dienstleistung zwischen den Einwohnern wird dadurch sehr vereinfacht. Es ist wunderbar um sich selbst allerlei Beispiele auszudenken um zu sehen wie dadurch eine Wirtschaft immer weiter verfeinert werden kann. In erster Instanz bietet zum Beispiel jemand der weniger Bedürfnis nach Nahrung hat einen Zettel an als Belohnung für das Putzen seiner Wohnung, was dann gemacht wird von jemandem der mehr Bedürfnis an Nahrung hat. Solche Transaktionen werden aber schon bald viel komplexer. Dadurch kommt das Geld über immer kuriösere Wege zum Distribuierungsorgan, um schießlich dort zu "verschwinden". (2)

Geld ersparen

Sagen wir nun das man dieses Verschwinden des Geldes ziemlich lästig findet; jedes Jahr aufs Neue Geld herauszugeben und auf die Ernte zu beziehen. Warum nicht einfach diese Zettel keinen Schlussdatum geben und einfach abwarten wann sie "hereinkommen"? Ganz einfach die Geldmenge gut überwachen und dafür sorgen dass die Bauern ihre Ernte abgeben. Aber...: an sich ist dies schon ein Vorteil für diejenigen die sich Geld ersparen; es hat für die anderen einen negativen Effekt wenn die Ersparer an einem bestimmten Moment ihr Geld doch noch in Umlauf bringen. Die Geldmenge nimmt dabei zu und das Geld verliert seinen Wert.

Natürlich ist es auch so dass jemand der vorläufig auf Konsum verzichtet, und also erspart, damit die Gemeinschaft einen Dienst beweisen kann. Die Geldmenge (im Umlauf) nimmt dabei ja ab und somit steigt der Wert des (‚übrigen")Geldes. Das wäre aber ein all zu abstrakter Gedanke (aber hoffentlich will der Leser dies trotzdem mal überdenken!)

Man kann hieraus folgern dass Geld eigentlich der Ausdruck ist für die Produktionsmöglichkeiten an einem bestimmten Moment. (3) Werden diese nicht benutzt, dann gibt es keine Garantie dass es diese Möglichkeiten nach, sagen wir mal, einem Jahr noch immer gibt. Dies ist am besten bei Ackerland wahrzunehmen; wenn man dies ein Jahr lang nicht benutzt, dann heißt das nicht dass man im nächsten Jahr eine doppelte Ernte erreichen kann.

Jemand der sich Geld ausspart indem er sich von Konsum enthält, lässt Produktionsmöglichkeiten liegen, im Grunde genommen jedenfalls. Sagen wir nun dass jemand ganz einfach eine bessere Kochmethode erfunden hat und dadurch weniger Nahrung braucht. Er hat dann dafür gesorgt dass die Produktionsmöglichkeiten besser benutzt werden, so dass extra Möglichkeiten entstehen. Das ist eine andere Weise um zu ersparen.

Es handelt sich beim Ersparen also nicht darum ob dies gut oder schlecht ist; es handelt sich darum was mit der Ersparung passiert. Macht derjenige etwas damit bevor die Möglichkeiten verloren gegangen sind oder nicht? Er kann es verschenken oder etwas damit kaufen, óder er leiht anderen sein erspartes Geld aus; dann versetzt er ihnen in die Lage die Möglichkeiten zu benutzen.

Was passiert aber beim Ausleihen? In der Zukunft wird der Ausleiher sein Geld zurückerhalten, die extra Möglichkeiten die er "geschaffen" hat sind von anderen benutzt worden, und er hat jetzt die Frage vor sich was er mit den extra Möglichkeiten dieser Zeit machen wird. So far, so good; es hat ja keine Vergrößerung der Geldmenge stattgefunden, in keinem einzigen Moment. Stärker noch; solange das Geld nur auf dieser Weise "rollt", ist es sogar egal ob darauf ein Schlussdatum steht oder nicht…..

Aber Achtung; der Kredit der zurückempfangen wird umfasst Geld mit den Möglichkeiten die es in diesem Moment gibt. Diese können größer sein (z.B. durch Erfindungen), aber auch kleiner (z.B. durch Naturkatastrophen) als in der Zeit als das Geld ausgeliehen wurde. Hier kommt das Phänomen Risiko um die Ecke.

Risiko verringert man vor allem indem man nicht selbst sein Geld ausleiht aber dies von einem Kollektiv machen lässt. In unserem Dorf könnte dies der Distribuierungsorgan machen. Dieser kann in Zinsenanteilen zum Ausdruck bringen in welchem Maße das Sparen und Ausleihen erwünscht ist, um zu garantieren dass ein Sparer sein Geld auch zurückbekommt oder sogar mehr, oder vielleicht weniger. (Obwohl wir diese zweite Möglichkeit kaum noch kennen, die Wirtschaftliche Wirklichkeit kann dies sicherlich mit sich bringen!) Der Distribuierungsorgan unseres Dorfes ähnelt jetzt mehr und mehr unseren heutigen Banken.

Zunahme der Geldmenge

Die Probleme bei einem fehlen des Schlussdatums entstehen auf einer ganz anderen Weise. Das passiert wenn der Distribuierungsorgan bzw. die "Dorfsbank", sich dafür entscheidet die Geldmenge wachsen zu lassen. Dies kann natürlich auf verschiedenen Weisen passieren. Die klassische Weise ist indem man die Geldpresse einfach rollen lässt. Mancher Diktator hat daran viel Spaß gehabt. In unserer Gesellschaft passiert dies auch, aber auf äußerst vernünftiger Weise. Die Banken dürfen Geld schöpfen indem sie mehr ausleihen als sie als Spargelder verwalten. (Momentan muss zirka 5% gedeckt sein.) Wenn wir dies auf unser Dorf anwenden bedeutet das dass die Geldmenge zunimmt und der Wert also verringert. Das funktioniert aber so, dass diejenigen die das Geld leihen sozusagen eine extra Möglichkeit bekommen um die Produktionspotenz an einem bestimmten Moment zu benutzen. Es ist eine Art extra Arbeitsanregung. Mal ganz einfach: in unserem Dorf könnte es zum Beispiel sein dass einer Möbelmacher werden will, obwohl im Moment noch jeder selber seine Möbel macht. Er benutzt den Kredit um für die Arbeit auf dem Land eine Freistellung zu bekommen und mit der Anfertigung der Möbel anzufangen. Während er Möbel baut, müssen die Anderen mehr auf dem Land arbeiten. Wenn sich nun derjenige als guter Möbelmacher herausstellt, dann erweist es sich schließlich als ersparend für andere um sich die Möbel bei ihm zu kaufen statt sie selber zu machen. Stellt sich aber heraus dass er es gar nicht kann (oder ekelige Ideeen insachen Design hat), dann hat er das Problem dass er den Kredit zurückbezahlen muss. (Den er zum Beispiel zurückverdienen kann indem er länger auf dem Land arbeitet; die anderen könnten dann etwas kürzer arbeiten und auf dieser Weise ihre extra Arbeit aus der vorhergehenden Zeit kompensieren lassen.)

Zusammenfassend: durch die Ergebnisse der extra Arbeit nimmt der Wert des Geldes schließlich (wieder) zu und sind die störenden Folgen der Zunahme der Geldmenge nicht nur wieder in Ordnung gemacht sondern bei einer gelungenen Produktionsinitiative reichlich erstattet.

Nebenan gibt es aber die Zinsen die die Leiher extra aufbringen müssen. Die Sachen werden jetzt schon ganz schnell unübersichtlich, den was sind nun genau die Zinsen und wo geht dies hin? Die Zinsen an sich sind eine Risikoprämie (unser Möbelmacher kann z. B. beim Holz hacken von einem Baum getroffen werden). Ein großer Teil dieser Zinsen empfangen die Sparer. Die Zinsen an sich bedeuten auch konkret eine extra Arbeitsanstrengung für den Leiher; er muss extra von der Produktionspotenz gebrauch machen. Wenn der Sparer nun sein mit Zinsen vermehrtes Geld stehen lässt, so kann die Dorfsbank noch mehr Geld ausleihen. (4) Der Zyklus fängt wieder neu an; die Geldmenge nimmt wieder zu, Geld verliert am Anfang seinen Wert, undsoweiter. So funktioniert das heutige System der Geldschöpfung in großen Zügen.

Es darf deutlich sein dass Geld auf dieser Weise etwas sehr undurchschaubares wird. Diejenigen die sparen sehen ihr Geld per Saldo zunehmen; heutzutage ist es nach etwa 10-15 Jahren verdoppelt. (Der Wert ist dan in wirklichkeit niedriger durch Inflation und Steuern, aber wachsen tut es!) Konkret bedeutet dies dass jemand der im einen Jahr erspart, nicht nur die "Entwertung" des Geldes anderen als Sorge überlässt (wenn ein Schlussdatum auf dem Geld fehlt kann man dies vielleicht sofort schon als "revalvieren" andeuten). Mit dem vergehen der Jahre bekommt er schließlich víel mehr zurück als "sein" revalviertes Geld. Mit anderen Worten: je nachdem er sein erspartes Geld immer wieder ausleiht, bekommt er immer größere Ansprüche auf die Zukunft.

Verstehen Sie dies richtig; der Sparer bekommt schließlich nicht nur das Äquivalent seines "alten" Geldes mit den Produktionsmöglichkeiten des heutigen Moments, sondern relativ viel mehr als das. Eventuell darf man dies eine Risikoprämie nennen, (sowie geläufige Ökonome sich ganz leicht davor drücken) aber dann ist die Belohnung heutzutage garantiert viel zu hoch. Schon wieder wird die zuvor als Basisfehler des Kapitalismus genannten Aussage Rudolf Steiners deutlich. Diejenigen die Geld leihen bemerken dies vor allem durch das Phänomen Zinsen über Zinsen beim Tilgen ihres Schuldes. Konkret: jemand der 100.000,- leiht gegen 10% Zinsen un jedes Jahr 10.000,- tilgt, hat am Ende seines Lebens noch immer denselben Schuld und vielleicht schon 300.000,- an Tilgung bezahlt. (Vielleicht kann der Leser jetzt verstehen warum Steiner zwar der Meinung ist dass an Zinsen an sich ein legitimer Prinzip zugrunde liegt, aber Zinsen über Zinsen ernsthaft ablehnt. Zinsen über Zinsen gründet nämlich auf dem gleichen Prinzip als der unendliche Besitz von Produktionsmitteln sowie Land.)

Leider erkennen wir den eigentlichen Hintergrund dieser ganzen Prozedur nicht mehr. Es ist gut vorstellbar dass in "unserem" Dorf Revolten entstehen würden und das Büro des Distribuierungs-Organs niedergebrannt werden würde. Unsere nationale Ökonomie, in einem enormen internationalem Netzwerk eingebettet, ist aber nicht so durchsichtig. All das vorhergehende ist auch erst eine Einführung in das ökonomische Denken das für eine Begegnung der Wirklichkeit notwendig ist.

Neue Ansprüche auf die Zukunft

Vielleicht können Sie sich jetzt noch mehr vorstellen bei der am Anfang vorgebrachten Stellungnahme dass in ihrer Banknote von 100,- uralte Ansprüche aus der Vergangenheit verborgen sind. Sagen wir dass ein holländischer Großgrundbesitzer anfang des 19. Jahrhunderts sein Land verkaufte und dieses Geld auf die Bank brachte; dann wissen Sie dass wenn er und seine Nachkommenschaft dieses einigermaßen normal verwalteten, seine Großenkel noch immer davon leben können. Andere haben dieses Geld ständig für sie revalviert und werden das im nächsten Jahrhundert immer wieder tun.

Noch wichtiger aber ist der Fakt dass momentan immer neue Ansprüche auf die Zukunft gemacht werden. Die Banken arbeiten ja stetig weiter, ihr Geld teilweise verdienend durch das von uns selbst an ihnen verliehene Recht auf Geldschöpfung. Die Behörden emanzipieren mittels der Europäische (Monetären) Union noch weiter von uns weg, und die Folge ist dass wir noch weniger Einfluss ausüben können auf Miljardenprojekte die wir im Laufe der Jahre schließlich selbst bezahlen werden müssen. Das System der Finanzierung durch Aktien streckt sich über immer mehr Gebiete aus, sowie die öffentlichen Verkehrsmittel, das Kommunikationsnetz, die Energieversorgung und garantiert innerhalb kurzer Zeit das Gesundheitswesen. Also: noch mehr Möglichkeiten um Eigentumsrechte bis in die weite Zukunft zu erwerben.

Sehr interessant ist auch der Kampf um das tägliche Brot im wortwörtlichen Sinne; man arbeitet fleißig daran alle Gewächse beanspruchen zu können, mittels Patentierung (und soviel wie möglich Anwendung) der Erfindungen im Bereich der DNA und verwandte genetische Modifikationen. Ein patent gilt gewöhnlich für 50 Jahre, das heißt also bezahlen.

Folgerungen

Die am Anfang dieses Artikels gestellte Frage nach dem Wesen des Geldes ist zum Teile beantwortet worden. Ich habe außerdem gezeigt dass es keine einfache Frage ist. Hoffentlich habe ich aber deutlich machen können wo der Schuh drückt; wir haben es "vergessen", haben die Übersicht verloren. Geld wird mit ungenügend Bewusstsein hantiert. Es ist bewusstseinsbefördernd wenn wir einsehen dass langläufende Eigentumsrechte von Produktionsmitteln in Geld zum Ausdruck kommen. Und außerdem wenn wir einsehen welche Wirkung es hat wenn wir die Geldmenge zunehmen lassen, Produktiv gemacht indem Kredite mit Zinsen verschafft werden, das heißt die Verschaffung von extra Möglichkeiten (Arbeitsanregungen) um die Produktpotenz zu benutzen.

Wenn man dadurch anfängt mehr Verständnis für Geld zu haben, dann kan man sich erst richtig fragen wie es anders möglich wäre.

Dieser Artikel erschien zum ersten Mal in dem niederländischen Magazin Bruisvat (Nr 2, Frühling 2000, www.bruisvat.nl). Wir danken Yvonne Tiggelman für die Übersetzung (März 2004). Ezrah Bakker absolvierte sein Studium auf das ökonomische Gedankengut von Steiner an der Fakultät Ökonomie der Universität von Amsterdam. Er ist Partner im Orifiël Institut (www.orifiel.org)

Noten

1. Siehe dazu Bruisvat 7 "Markt und Behörde" (www.bruisvat.nl). Für Steiners richtunggebende Vorträge über die Dorfsgemeinschaft: GA 340, 13. und 14. Vortrag, 5.-6. August 1922.

2. Es stellt sich heraus dass der Mensch sich wie kein anderer beschwert fühlt beim Gedanke dass Geld verschwindet. Man ist all zu sehr dazu geneigt Geld als ein Faktum zu betrachten. Dies ist meiner Meinung nach nicht sosehr dem Thema zuzuschreiben, sondern vor allem der statischen Denkweise die meistens benutzt wird. Nichtsdestotrotz; Nachdenken über Geld bietet was dies betrifft ein ausgezeichnetes Training um sowie Steiner es bezeichnet "bewegliches Denken zu erlernen". Vielleicht hat er darum den einzigen Ökonomiekurs den er je gegeben hat damit abgeschlossen.

3. In Essenz ist dies meiner Meinung nach die meist reelle Definierung von Geld die man überhaupt geben kann: eventuell kann man überwiegen "Produktionsmöglichkeiten" durch "Potenz" zu ersetzen (obwohl an sich tiefschürfender), wird es aber ziemlich rasch abstrakt, wobei Geld wiederum mystifizieren wird: Geld wird auf jeden Fall eine Bewusstseinsfrage ersten Ranges bleiben).

4. Nach Analogie der Regelung dass die Banken heutzutage nur zirka 5% ihrer Kredite decken müssen, bedeutet ja jede 100,- mehr in der Bank, dass eine Bank sofort etwa 1800,- mehr ausleihen bzw. schöpfen darf. Ein Extra zur Verdeutlichung: Die Einführung der Scheckkarte war für die Banken extra verlockend, weil dadurch mehr Geld in die Kassen blieb (statt in den Geldbörsen) und damit extra Möglichkeiten für Geldschöpfung entstanden.