Der vierfache Pfad
Das ganzheitliche Paradigma von Gesellschaftsreform

01.02.1999

Ökonomie als Schicksal?

In seiner Erfurter Begegnung mit Goethe (1808) bemerkte Napoleon zum Thema Schicksal: "Was will man jetzt mit dem Schicksal, die Politik ist das Schicksal" (Goethe, Hamburger Ausgabe, Bd. X, 546). So sprach ein begnadeter Machtpolitiker. Ein vom Religiösen als dem Wichtigsten im Leben durch-drungender Mensch oder gar ein religiöser Fundamentalist würde damals wie heute zweifellos geantwortet haben: "Das Schicksal, das ist nur ein Ausdruck für Gottes Vorsehung. Das Wichtigste, auch für die Gestaltung der öffentlichen Angelegenheiten, das ist das Verhältnis der Menschen zu Gott, eben das Religiöse."Ein solcher Mensch würde wohl die verlorene Einheit von Religion und Politik, vielleicht unter der heute vielfach zu hörenden Bezeichnung "Werteverlust", als das Grundübel beklagen. Ein Künstler und Kulturmensch wie Goethe, Bewunderer und zugleich Antipode Napoleons, würde eher sagen "Das für das Schicksal der Allgemeinheit Wichtigste, das ist die Entfaltung einer wahrhaft menschlichen Kultur aufgrund der íFreiheit des Geisteslebensë - ein Ausdruck, mit dem Rudolf Steiner nach dem 1. Weltkrieg sein Hauptanliegen gekennzeichnet hat, wobei er allerdings Kultur und Religion kaum unterschied. Beide waren für ihn untrennbare Äußerungen des "Geisteslebens". Silvio Gesell und Karl Marx - wenn es mir erlaubt ist, beide einmal in einem Atemzuge zu nennen - würden beide antworten: "Die wirtschaftliche Basis mit dem Geldsystem bestimmen heute das Schicksal der Völker." Wenn es gelänge, hier eine grundlegende Veränderung herbeizuführen, dann wäre das öffentliche Schicksal in positivem Sinne gewendet. Alles andere ergäbe sich daraus von selbst. Viele Leser des "3. Weges" werden darin ihre eigene Einstellung wiedererkennen.Man hat dieser Sichtweise, meist im Hinblick auf Karl Marx oder - was bei weitem nicht dasselbe ist - auf den leninistisch-stalinistisch geprägten Marxismus, das Etikett "Ökonomismus" gegeben. Freiwirtschaftler müssen sich fragen, ob ihnen nicht auch vielfach zurecht dieses Etikett angehängt wird. So fundamental wichtig die Reform des Geldsystems ist - wäre mit ihr bereits die gesamte anstehende Gesellschaftsreform geleistet? Wäre das ganze Haus der Gesellschaft mit der Sanierung des Kellers, der Basis, in Ordnung gebracht?

Dazulernen ist schwer

Noch fundamentaler ist nach der bloßen Möglichkeit einer Basissanierung allein zu fragen: Ist die wirtschaftliche-monetäre Reform überhaupt zu leisten, wenn nicht alle Ebenen des gesellschaftlichen Ganzen zugleich berücksichtigt werden? Was läßt sich aus der traurigen Tatsache lernen, daß die Freiwirtschaft nach fast einem Jahrhundert keine reale gesellschaftliche Wirkung verbuchen kann (obwohl man eine bewußt-seinsmäßige Wirkung heute anerkennen muß)? Selbst dazulernen ist stets schwerer, als bloß die böse Welt anklagen. Um so schwerer, wenn man wirklich schon etwas zu bieten hat.

Das Spezifische und der Blick aufs Ganze

Oft wird nach einer Philosophie der Freiwirtschaft gefragt. Die Antwort, die ich hier versuchen möchte, lautet zunächst negativ: Die Freiwirtschaft braucht sich nicht mit einer überlieferten Weltanschauung (z. B. mit dem Anarchismus Max Stirners oder mit der christlichen Religion oder etwa mit der Anthroposophie Rudolf Steiners) zu identifizieren. Sie tut gut daran, sich gerade nicht an eine bestimmte religiöse oder quasi-religiöse Weltanschauung noch an eine bestimmte Kulturphilosophie noch an sonstige politische Philosophien und Zielsetzungen zu binden, wie es immer wieder versucht wurde. In diesem Sinne stimme ich meinem früheren Diskussionsgegner Johannes Jenetzky (vgl. DDW 7-10/96) durchaus zu, daß die Freiwirtschaft sich auf ihre "Essentialia" (umlaufgesicherte Indexwährung und Vergemeinschaftung des Bodens) konzentrieren sollte.

Blick aufs Ganze nötig

Dennoch es ist unerläßlich, daß sie gleichzeitig den "Blick aufs Ganze" (so der Titel der Freiburger Lesertagung ´98) nicht verliert, also nicht bei einem Ökonomismus stehen bleibt und damit bei der Illusion, die Klärung der wirtschaftlichen Basis, des Geld- und Zinsproblems, würde das Ganze der Gesellschaft automatisch in Ordnung bringen, zumal wenn diese Klärung vorerst theoretischer Art ist und die seit 70 Jahren so dringend ersehnte Verwirklichung an politischen, kulturellen und religiös-weltanschaulichen Hindernissen scheitert.An die Stelle solcher Illusion muß die Vision von einer freien Gesellschaft treten, ohne vorschnelle Festlegungen auf weltanschaulicher, kultureller und politischer Ebene. Statt dessen geht es darum, die vier anfangs genannten Ebenen des "Schicksals" der Völker grundsätzlich sozialtheoretisch zu unterscheiden und gleichzeitig in Beziehung zu setzen. Wilhelm Schmülling hat die im folgenden zu skizzierende Position am Ende der Freiburger Tagung treffend als "neues Paradigma" zusammengefaßt.Er sprach damit ein großes Wort gelassen aus. Nimmt man es ernst, so geht es darum, an die Stelle der ökonomistischen Illusion das Ganze der Gesellschaft so im Blick zu behalten, daß die von Außenstehenden als sektiererisch empfundene Verengung auf ein einziges Allheilmittel für alle Bereiche der Gesellschaft vermieden wird.

Zur Handlungs-Systemtheorie

An diese Grundlagen kann ich hier nur flüchtig und umrißhaft erinnern, nachdem sie in DDW 3/94 sowie zuletzt in meinem Buch "Sprung aus dem Teufelskreis" allgemeinverständlich dargelegt worden sind.(Für wissenschaftliche Ansprüche dort weitere Literaturangaben.) Der Akzent soll diesmal vielmehr auf den praktischen Konsequenzen der Viergliederungs-Sicht liegen. Wissenschaftlich begründet ist sie in einer Handlungs-Systemtheorie.Diese umfaßt eine Typologie des menschlichen Handeln allgemein sowie eine Stufung des sozialen Handelns in die Hauptstufen:(1) physisches Behandeln, instrumentales Handeln oder Güteraustausch,
(2) einseitig strategisch- zielorientiertes Handeln,
(3) kommunikatives, Gegensei tigkeit suchendes Handeln,
(4) metakommunikatives Handeln.Das Stufungsprinzip ist ein solches der praktisch-sozialen Reflexion, d. h. der intentionalen Orientierung an dem Handlungen anderer. Handlungen und insbesondere soziale Handlungen sind Reflexionsprozesse. Deshalb bildet der Grad der Reflexivität den Unterscheidungsgrund der Handlungsstufen. Die Gegenseitigkeit der Reflexion, die Verschränkung der Intentionen der Handelnden, liefert zugleich das in der Sozialtheorie (Habermas-Luhmann-Debatte seit Ende der siebziger Jahre) vermißte Prinzip des Übergangs vom Handeln zum System quasi-kybernetischer Art. (Kybernetische Rückkoppelung stellt eine physische Analogie zur Reflexion dar.)Ich spreche wegen dieser gar nicht zu überschätzenden Bedeutung des Reflexionsprinzips für alles, was aus menschlichem Bewußtsein und Handeln hervorgeht, auch von einer Reflexions-Systemtheorie. Die Vierfach-heit ist letztlich eine Gesetzmäßigkeit der menschlichen und zwischen-menschlichen Reflexion. Die oben genannten Handlungsstufen formen sich nun in einem Staat als dessen (mehr oder minder deutlich differenzierte) Subsysteme aus: 

oekohaus

 

Wann droht Teufelskreis?

Selbstverständlich ist das Bild eines Hauses zu statisch, um die Wechselbeziehungen zwischen den Systemebenen und zwischen deren Unterabteilungen 1 adäquat wiedergegeben zu können. Die Systemebenen bilden zugleich einen Kreislauf - sei es einen heilen oder einen Teufelskreis. Jedes dieser Subsysteme muß stets als Funktion des Ganzen berücksichtigt werden (Integrationsprinzip), differenziert sich aber in einer modernen Gesellschaft - mehr oder minder konsequent - real von den anderen (Differenzierungsprinzip). Nur durch Differenzierung der Systemebenen ist Integration, gemeinsame Freiheit, unter den modernen Bedingungen von individueller Freiheit möglich.

Fehlende Differenzierung

Das Viergliederungs-Postulat bedeutet nun, der faktisch latent vorhandenen Differenzierung konsequent durch Institutionen Rechnung zu tragen, so daß die unheilvolle, scheinbar natürwüchsige Prägung des sozialen Ganzen von unten nach oben, also von der Wirtschaft über die Politik in den "Überbau", umgekehrt wird zu einer vernunftbestimmten Regulierung von oben nach unten: von den Grundwerten über die kulturellen Werte zu den politischen Zielsetzungen bis zu den wirtschaftlichen Zielen und Mitteln.In gewissem Sinn stellt dieses Postulat die radikale Umkehrung der ökonomistischen Sicht dar, jedoch keine symmetrische Umkehrung, weil jedem Subsystem zugleich ausdrücklichst seine Eigengesetzlichkeit zugestanden wird. Dem Materialismus der ökonomistischen Sicht wird dadurch kein neuer, einseitiger Idealismus entgegengesetzt.Wir brauchen jeweils fachkompetente, unabhängig voneinander gewählte Parlamente und Exekutivorgane für jede Systemebene: ein Wirtschaftsparlament, diesem übergeordnet (rahmensetzend, nicht etwa planwirtschaftend) das im engeren Sinn politische Parlament, diesem durch Rahmenkompetenzen übergeordnet ein Kulturparlament sowie eine diesem nochmals übergeordnete Grundwerteversammlung.

Strukturale Theorie statt Weltanschauung

Die Viergliederungstheorie will den geordneten Blick aufs soziale Ganze anbieten, nicht im Sinne einer bestimmten weltanschaulichen Philosophie, die sich etwa als "die Philosophie der Freiwirtschaft" ausgeben will, sondern im Sinne eines methodischen Strukturden-kens, welches den Blick aufs Ganze aus Gründen ordnet und dynamisiert. Ich bin mir bewußt, daß mit solch einem strukturalen Ganzheitsdenken auch inhaltliche Positionen verbunden sind, zum Beispiel die Interpretation der vierten Ebene des menschlichen Bewußtseins wie der Gesellschaft als religiös, als Sinn-Offenheit für das Ganze.Solche Positionen lassen sich aber diskursiv (im Sinne von argumentativ, nicht im Sinne des derzeitigen vieldeutigen Modegeschwätzes von "Diskurs") aufweisen und sind keine Glaubenspositionen (trotz Offenheit für möglicherweise durch besondere Erfahrung oder Botschaften begründete Glaubenspositionen).Der Relativismus, der behauptet, es gebe kein wissenschaftlich begründetes Ganzheitsdenken, ist selbst Funktion unseres sozialen Durcheinanders. Relativismus/Skeptizismus und Autoritätshörigkeit/Dogmatismus reichen sich die Hände zu gemeinsamer Abwehr des vernünftig Erkennbaren (wie schon Kant beklagte).Diese Strukturtheorie steht - trotz ihrer wissenschaftlichen Ansprüche und vieler hier unausgeschöpfter Aspekte - mit dem gesunden Menschenverstand im Bunde, der da sagt: Ich wußte schon ohne komplizierte Reflexions-Systemtheorie, daß es eine wirtschaftliche, eine politische, eine kulturelle und eine weltanschaulich-religiöse Ebene der Gesellschaft gibt und daß sie auf keine einzige Ebene allein zurückzuführen sind. 2 Ist das für unsere Politiker etwas Neues? Es könnte sein. Denn das Alltagswissen ist nicht schon durchdachtes Wissen, aus dem allgemeinverbindliche, praktische Konsequenzen gezogen werden können.Silvio Gesells Einsichten über die kapitalistische Geldwirtschaft, in zeitgemäßer Form und mit aktuellen statistischen Daten präsentiert etwa bei Helmut Creutz, sind so einleuchtend, daß man sich fragt, warum sie nicht zum Wohle aller (außer der wenigen Überprivile-gierten) verwirklicht werden. Es kann nicht an den hier und da diskutablen Einzelheiten der Wäh-rungstechnik liegen.

Heldenverehrung allein führt nicht weiter

Es geht auch nicht darum, wieweit Gesells Einsichten völlig originell sind, und ob er das Jahrhundert-, gar Jahrtausendgenie war, zu dem manche ihn hochstilisieren wollen. Solcher Geniekult scheint mir meist der Versuch einer Kompensation der tatsächlichen und permanenten gesellschaftlichen Frustration der Freiwirtschaftler zu sein. Er kommt nur bei wenigen positiv an und weckt bei den meisten verständliche Widerstände (weshalb ein Helmut Creutz sich von solcher Heldenverehrung wohlweislich fernhält).Er führt nur zu unfruchtbaren Auseinandersetzungen wie derjenigen um den abstrusen "Faschismus"-Vorwurf an Gesell. Selbstverständlich ist es notwendig und verdienstvoll von Werner Onken wie von Klaus Schmitt, sich mit dergleichen auseinanderzusetzen, wenn es nun einmal im Raum steht (Klaus Schmitt, Entspannen Sie sich, Frau Ditfurth!). Auch ist für unsere heutige Situation nicht mehr unmittelbar entscheidend, was in der Auseinandersetzung Silvio Gesells mit Karl Marx sowie zwischen Freiwirtschaftlern und "Marxisten" schiefgelaufen ist (vgl. Kap. 11 von "Sprung aus dem Teufelskreis"), wenngleich dies immer noch in das leider grundlegend gestörte Verhältnis der politischen Linken zur Freiwirtschaft nachwirkt.

Kurzschluß zwischen Ökonomie und Religion?

Die sachlichen Argumente müssen sprechen. Ersetzt man sie durch Personenkult, kommen mit Recht auch die Defizite in Silvio Gesells Schriften zur Sprache. So hat sich Gesell in seiner Schrift "Der abgebaute Staat" (1927) meines Erachtens nicht als großer Gesellschaftsdenker ausgewiesen, weil gerade darin ein Ökonomismus zum Ausdruck kommt: Es genüge die Bereinigung des Geld- und Wirtschaftssystems. Den Rest, die rechtlich-politische Sphäre, kann im Grunde das "Faustrecht" besorgen. Solche Irrtümer steigern zwar nicht Gesells Ansehen unter Sozialwis-senschaftlern, doch tun sie dem, was er wirklich zu sagen hatte, wenig Abbruch - vorausgesetzt, man erkennt und anerkennt das Defizit, das sich geschichtlich leider in der Freiwirtschaftsbewegung fortpflanzte.Auf der anderen Seite appelliert Gesell freilich in derselben Schrift an die Einsicht der christlichen Abgeordneten bzw. ihrer Kirchen - als wären diese die unmittelbar für Politik, näherhin Wirtschaftspolitik kompetenten, legitimierten und unbefangenen Instanzen. Hier haben wir das ganze Problem des Verhältnisses von Wirtschaft, Politik (im engeren Sinn) und Weltanschauung/Grundwerte vor uns, wenngleich in damals bis heute ungeklärter Form.

Klerikalismus als Kurzschluß

Der Kurzschluß zwischen Ökonomie und Religion wäre unter modernen Bedingungen (der an sich schon stattgefundenen, nur noch nicht konsequent durchgeführten Differenzierung der Systemebenen) ein unheilvoller Klerikalismus, von dem wir auch unter den gegenwärtigen Bedingungen staatskirchenartiger Privilegien für die großen Kirchen keineswegs frei sind.

Zur weltanschaulichen Grundwerte-Ebene

Staatskirchenartige Privilegien bilden das Gegenteil von demokratischer Regelung der religiös-ethischen Grundwerte. Gemeint ist nicht etwa eine mehrheitliche Abstimmung über religiöse Wahrheitsfragen, sondern die Bildung eines demokratischen Konsenses über das, was an gemeinsamen Grundwerten des Gemeinwesens - bei religiös-weltanschaulichem Pluralismus - von der großen Mehrheit anerkannt werden kann. Dies ist viel mehr, als einerseits religiöse Fundamentalisten und mildere Vertreter alleinseligmachender Positionen (die über Grundwerte und ihre Auslegung mittelalterlich verfügen wollen) wie anderseits solche "postmodernen" Pluralismusvertreter anerkennen wollen, die meinen, ein modernes Gemeinwesen brauche keine gemeinsam anerkannten Grundwerte.Das Gegenteil ist der Fall. Die unantastbare Würde des Menschen, die zu achten und zu schützen die Verpflichtung aller staatlichen Gewalt ist (GG Art. 1,1), stellt letztlich einen religiösen und religiös begründeten Grundwert dar.Das Problem mit den aus ihr folgenden Grundrechten der Persönlichkeit, zum Beispiel auch dem Recht auf Arbeit (als Bestandteil der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948 auch zum deutschen Grundgesetz gehörig), besteht darin, daß sie nicht wirksam durchgesetzt werden können.Beim "Recht auf Arbeit" geht es um den unbedingt zu achtenden Vorrang des Menschen vor dem nur scheinbar auch arbeitenden Kapital und seinen Maschinen. Dieses und manche andere Persönlichkeitsrechte können aber nicht effektiv durchgesetzt werden, weil wir keine Grundwerteversammlung haben, die Rahmenrichtlinien an die ihr untergeordneten parlamentarischen und exekutiven Ebenen des Gemeinwesens bindend weitergeben könnte. Der sogenannte "Werteverfall", über den die undemokratisch überprivilegierten Kirchen am meisten klagen, ist nicht in einem Mangel des moralischen Bewußtseins der großen Mehrheit der Bevölkerung begründet, sondern in der mangelnden Durchsetzbarkeit von Grundwerten in demokratischen Verfahren.Sie werden aber nicht durchsetzbar sein, solange unser Gemeinwesen nur Wahlen für den scheinbaren Allround-Politiker kennt, nicht aber spartenspezifische, besser ebenenspezifische Beauftragung 3 von anerkannten Fachleuten für jede Ebene des sozialen Systems. Die nicht bloß in menschlich-egoistischen Klugheitsregeln (modischerweise oft "anthropozentrisch" genannt 4, als sei der Mensch auf Raubtierverhalten festgelegt), sondern in der Anerkennung von religiös-ethischen Grundwerten begründete Eigenwürde und Eigenwerte der Tiere, Pflanzen und Landschaften bleiben bloße Theorie und ein fortwährender Skandal in einer angeblich aufgeklärten Gesellschaft, solange nicht ein Grundwerte-parlament zumindest den jeweiligen Minimalkonsens der Bevölkerung artikulieren und in rechtlich wirksamen Rahmenrichtlinien durchsetzen kann.

Umwelt als sittliche Frage

In der ganzen ökologischen Frage, nicht allein einer materiellen Überlebensfrage der Menschheit, sondern einer Frage ihres sittlichen Selbstrespektes, verbinden sich religiös fundierte Letztwerte und Grundwerte des Gemeinwesens unmittelbar mit wirtschaftlichen Fragen, ebenso wie bei dem erwähnten Recht auf Arbeit. Da es sich um Grundwerte handelt, ist jedoch keineswegs die Wirtschaftspolitik allein dafür zuständig. Diese hätte vielmehr die bindenden Vorgaben des Grundwerte-Parlaments zu realisieren. Dann käme die Diskussion auf den Tisch, ob und mit welcher Wirtschaftsordnung solche Grundrechte realisierbar sind.Statt effektiver Durchsetzung konsensfähiger Grundwerte ergeht man sich heute in einem florierenden ideologischen Ethik-Boom: in Individual-Ethik für alle Lebenslagen und Berufsrollen: Dem einzelnen wird appellierend angelastet, was gesamtgesellschaftlich-strukturell nicht geleistet wird. Das Natur und soziale Gerechtigkeit verheerende Finanzsystem bildet nur ein Hauptbeispiel für diese "ethische" Ablenkungs-Ideologie.Es wird geflissentlich übersehen, daß der gegenwärtige Kapitalismus ein Religionsersatz, ja eine Pseudo-Religion darstellt, gegen deren systemische Allgegenwart die ethischen Ermahnungen und Verhaltensregeln für die einzelnen nicht allein machtlos sind, sondern Ablenkungsfunktion haben. Das wichtigste ethische Postulat an den einzelnen (ohne den sich freilich nichts bewegt) ist heute das Durchschauen der großen Zusammenhänge durch unbestechliche, denkende wie fühlende, Wahrheitsliebe. Keine Religion und Ethik ist höher als die Wahrheit, die freilich niemand ein- für allemal gepachtet hat, deren Erkenntnis jeder/jede sich freilich etwas kosten lassen muß.

"Freiheit des Geisteslebens" auf der kulturellen Ebene

Andere Grundwerte rechtlich verbindlich zu setzen, hätte zunächst "nur" kulturelle Folgen, zum Beispiel das Verbot unnötiger Gewaltdarstellungen in den öffentlichen Medien, auf internationaler Ebene die effektive Unterbindung von Kinderpornographie im Internet sowie auf nationaler Ebene die Durchsetzung effektiver Freiheit der Wissenschaft von konfessioneller, politischer und wirtschaftlicher Bevormundung, jedenfalls in ihrer nicht transparenten, unkontrollierbaren Form. Dies betrifft bereits die kulturelle Ebene sowie die Kompetenz eines von den anderen Ebenen, besonders von der Machtpolitik und von wirtschaftlichen Einflußnahmen freien Kulturparlamentes.Was einseitige Apologeten der freien Martwirtschaft - die ohnehin unter den Bedingungen des gegenwärtigen Geldsystems eine "fromme" Fiktion zur ideologischen Verschleierung des Bestehenden darstellt -gern übersehen, ist die Tatsache, daß große Teile des nationalen Kulturlebens keineswegs marktwirtschaftlich, sondern staatlich organisiert und subventioniert sind: vor allem der überwiegende Teil des Universitäts-, Forschungs- und Schulwesens, von der Subventionierung bestimmter Kunstsparten zu schweigen. Es kann hier nicht diskutiert werden, wieweit in einer wirklich befreiten Marktwirtschaft auch diese Kulturbereiche marktwirtschaftlich organisiert werden könnten, ohne Schaden zu leiden. Jedenfalls, noch weniger als im rein wirtschaftlichen Bereich kann und darf dies ohne staatliche Rahmengesetzgebung geschehen.Der moderne Staat muß wesentlich auch Kulturstaat sein. Das hat mit einer Verplanung des frei-gesellschaftlichen Kulturlebens nichts zu tun, viel weniger als unter den derzeitigen Bedingungen der wirtschaftlich und machtpolitisch dominierten Kultursteuerung. Kultur ist nicht nur in den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, sondern bis weit ins Schul- und sogar Wis-senschaftssystem hinein vom Proporz der Konfessionen sowie der universal zuständigen Parteien und ihren scheinbar universal gebildeten und kompetenten (unter macht-politischem Gesichtspunkt gewählten) Abgeordneten abhängig.

Kulturparlament ist nötig

Die öffentliche Verantwortung des wissenschaftlichen und pädagogischen Systems soll keineswegs geleugnet werden. Gefordert werden muß vielmehr eine spezifisch kulturpolitische Beauftragung von dafür kompetenten Abgeordneten, die somit auch eigene Verantwortung vor dem Wähler haben. Die Riesen-summen, die von Bund und Ländern (deren Kulturhoheit nur ein schwacher Abglanz der hier geforderten Ausdifferenzierung des kulturellen Bereichs darstellt, weil die Länderparlamente ebenso undifferenziert politische Versammlungen bilden wie der Bundestag!) liefern nur die eine Argumentationsschiene für die Notwendigkeit demokratischer Transparenz. Die andere besteht in der notwendigen qualitativen Unabhängigkeit des wissenschaftlichen, pädagogischen und publizistischen Prozesses.Ohne "Freiheit des Geisteslebens", wie sie von der anthroposophischen "Dreigliederungsbewegung" seit über 70 Jahren gefordert wird (wenngleich nicht mit einem gesamtsystemischen, institutionell wirksamen Konzept und ohne die nochmals für eine weltanschaulich pluralistische Gesellschaft unerläßliche Unterscheidung von religiöser Weltanschauung und Kultur, von religiösen Letztwerten und kulturellen Werten), ist keine befriedigende Weiterentwicklung der Demokratie möglich. Über die unsachgemäße Vermachtung von Wissenschaft und Schule und deren verheerende Folgen für die Bewußtseinsevolution der Menschen wäre vieles zu berichten.Staatliche Beaufsichtigung des Schulwesens macht nur guten Sinn, wenn es der Kulturstaat als solcher ist, gestützt auf ein unabhängiges Kulturparlament, das diese Aufsicht ausübt, indem es gerade die freien gesellschaftlichen Kräfte schützt. Die Ausdifferenzie-rung der kulturstaatlichen Ebene könnte - scheinbar paradoxerweise - in ganz anderem Maße "Bildungsfreiheit" gewähren, als dies unter den gegenwärtigen wirtschaftlichen, machtpolitischen und konfessionellen Zwängen möglich, ja vorstellbar ist. "Die Bildungsfreiheit ist die Grundlage für Geistes-, Gewissens-, Religions-, Informations- und Pressefreiheit. Ihre Realisierung ermöglicht eine freie Wirtschaftsordnung, die ökologisch und sozial ist und der gesamten Menschheit zu ihrem Wohl verhilft." (B. Bartmann) 5Mit diesen Worten wird also der Ermöglichungs-Zusammenhang zwischen freier Wirtschaft und freier Bildung umgekehrt gesehen als von den meisten Freiwirtschaft-lern. Beide Sichtweisen sind aber richtig, solange sie nicht jeweils einseitig verabsolutiert werden: Die verbreitete Einsicht in Zusammenhänge der "natürlichen Wirtschaftsordnung" würde Bildungs-freiheit voraussetzen - und letztere umgekehrt die Freiheit von der monetären Dominanz über das Kultursystem via Politik.Daß es sich um wechselseitige Bedingungszusammenhänge handelt, daß der Weg zur vollständigeren Realisierung eines wirklich demokratischen und pluralistischen Gemeinwesens selbst ein pluraler, nämlicher vierfacher ist, dies stellt das praktisch-politische Grundanliegen in meiner Sicht von "Viergliederung des sozialen Systems" dar.

Politik im weiteren und engeren Sinne

Dabei ist ein weiter Politik-Begriff von der politischen Ebene im engeren Sinn zu unterscheiden. In weiterer Bedeutung umfaßt das Politische alle Kanalisierung von Macht (möglichst) durch Recht, und da ein moderner Staat primär im Recht begründet ist (der Begriff des Rechtsstaats, im Unterschied zum traditionellen, religiös begründeten, theokratischen Staat "von Gottes Gnaden"), umfaßt also die mehr oder weniger rechtliche Gemeinwesenorganisation alle vier Ebenen. In der engeren Bedeutung bildet die Politik jedoch nur eine, nämlich die strategisch-machtmäßige Organisationsebene des Gemeinwesens, das zweite Subsystem des Ganzen.Heutige Allround-Politiker müssen sich an den Gedanken gewöhnen, daß sie zwar das Ganze des (kommunalen, staatlichen bzw. überstaatlichen) Gemeinwesens zu organisieren haben, jedoch so, daß sie die anderen Ebenen in ihrer Eigengesetzlichkeit freisetzen müßten: das Wirtschaftliche als den politischen Rahmenbedingungen untergeordnete, aber durchaus auch eigengesetzliche Ebene, das Kulturelle und Weltanschaulich-Religiöse jedoch als übergeordnete Rahmenbedingungen.

Politiker sollen nicht über alles bestimmen

Solange es die spezifischen Wirtschaftspolitiker, Kulturpolitiker, Grundwertepolitiker noch nicht in ihren eigenen verfassungsmäßigen Rollen gibt, sind wir auf die Mitwirkung der bisherigen "politischen" Allround-Politiker der Parteien angewiesen. Künftige "politische Politiker" werden sich nur mit innerer und äußerer Sicherheitspolitik, Territorialfragen, Außenpolitik, Verkehrspolitik usw., also mit der Gemeinwesenorganisation im engeren, machtbezogenen Sinn, zu befassen haben.Viele dieser Frage stehen unter kulturellen Vorgaben und müssen sachgerecht als solche vom Kulturparlament diskutiert werden. Die gegenwärtige Diskussion um doppelte Staatsbürgerschaft zum Beispiel ist vor allem eine Frage der kulturellen Identität und Loyalität, keine bloße Frage der Sicherheit und des "politischen" Wahlrechts (das leider ein Allround-Wahlrecht für Allround-Parteipolitiker ist).Die gegenwärtige Auseinandersetzung läuft demgemäß völlig schief, den eigentlichen Sachfragen unangemessen 6. Anderes läßt sich bei dem gegenwärtigen, undifferenzierten Politikbegriff leider nicht erwarten.

Die Viergliederung als erweiterte Gewaltenteilung

Es handelt sich um nichts Geringeres als um ein erweitertes Konzept von Gewaltenteilung. Die traditionelle, leider in unserer Verfassungs-wirklichkeit auch sehr verwässerte, geschweige denn über den Be-wußtseinsstand der Französischen Revolution hinaus weitergedachte Gewaltenteilung, umfaßt, je nach der Stellung der Amtsmacht zu den Gesetzen, in reflexionslogischer Ordnung, d. h. neuer Begründung: 1. die Verwaltungs-Exekutive, die bestehende Gesetze bloß anzuwenden hat; sie ist evidenterweise von der folgenden Exekutive unterschieden;
2. die politische Exekutive, die Entscheidungsvollmacht im Rahmen der Gesetze hat;
3. die Legislative, die über Gesetze berät und sie in Kraft setzt;
4. die Judikative, die über den Gesetzgebungsvorgang und die korrekte Anwendung der Gesetze zu wachen hat. Diese traditionellen Gewalten gehören alle der politischen Ebene im engeren Sinne des Machtsystems an. Die Viergliederung beinhaltet eine wesentlich erweiterte Gewaltenteilung, insofern die klassischen vier (nicht bloß drei!) Gewalten sich vervierfachen im wirtschaftlichen, politischen, kulturellen und Grundwerte-Staat. Auf jeder dieser Ebenen sind Verwaltung, politische Exekutive, Parlament und Judikative im Sinne der Rechts- und Gesetzgebungsüberwachung zu unterscheiden. (Die routinemäßige Rechtsanwendung, einschließlich die der niederen Gerichte, gehört der Verwaltungs-Exekutive an.)Auf jeder dieser Ebenen gibt es ferner den Unterschied zwischen staatlichem Amtshandeln und frei-gesellschaftlichem Handeln. Der funktionale Zusammenhang der Systemebenen ist sehr einfach durch die Reflexions-Hierarchie gewährleistet. Diese wird von selbst durch eine zirkuläre Rückkoppelung ergänzt, insofern die übergeordneten Ebenen keine Rahmenbedingungen setzen werden, die nicht realisierbar sind.Für den Fall, daß es Streit zwischen den Instanzen gibt, sind mehrere Lesungen sowie Schlichtungsverfahren vorzusehen. Der judikativen Kontrolle der Gesetzgebungsvorgänge käme sicher eine erhöhte Bedeutung zu.

Mehr Demokratie durch direkte Demokratie?

Es gibt heute mehrere Organisationen, die sich für "Mehr Demokratie" im Sinne der Formen direkter Demokratie in unserem Gemeinwesen einsetzen. 7 Angesichts des ungeheuren, von den Berufspolitikern bisher selten und nicht einmal bei der (beschämend dürftigen) Verfassungsrevision nach der Wiedervereinigung anerkannten Bedarfs an Weiterentwicklung unserer Demokratie 8 kommt dieser Bewegung für mehr direkte Demokratie in Form von Volksbegehren, Volksabstimmungen und Volksentscheiden große Bedeutung zu. Denn wahrscheinlich können wir nur auf dem Wege direkt demokratischer Abstimmungen die notwendige Weiterentwicklung unserer Verfassung und unserer Institutionen in Richtung Viergliederung wie überhaupt erreichen.

Parteien als Machtblöcke

Denn leider haben sich die Parteien, gestützt auf die 5%-Klausel, noch mehr aber auf das undifferen-zierte, gedankenlose Politikverständ-nis, zu unerträglichen, am Vierglie-derungspostulat gemessen, "vorsintflutlich" undifferenzierten Machtblöcken entwickelt, die jede Sachlichkeit in der Diskussion der öffentlichen Angelegenheiten vom Prinzip her unterbinden. Das Prinzip der Viergliederung ist Sachlichkeit, das der Allround-Parteien un-differenzierte Macht und damit Unsachlichkeit.Wir brauchen also außerparteiliche Bewegungen, und zumal die Bewegung für direkte Demokratie unterläuft die scheinbar verfassungsgemäßen Privilegien der Parteien. Auf der anderen Seite reicht aber der bloß quantitative Gesichtspunkt, der bei Volksabstimmungen zum Zuge kommt, nicht aus. Bekannt sind die angeblichen oder wirklichen Gefahren, die von einer bloß quantitativen Abbildung des Mehrheitswillens ausgehen (Stichwort Todesstrafe). Demokratie ist möglichst quantitativ umfassende und zugleich qualifizierte Partizipation aller mündigen Bürger an der Gestaltung des Gemeinwesens. Es muß auch eine Qualifizierung der Willensbildung durch das repräsentative Prinzip und die mit ihm möglicherweise verbundene Sachkompetenz gewährleistet sein.

Die Chance der Spartendemokratie

Durch die "Spartendemokratie" im Sinne der Viergliederung können Bürgernähe mit Sachkompetenz weitgehend verbunden werden: schlicht durch mehrfache Stimmabgabe für jeden der großen Sachbereiche, die Systemebenen, und die sie jeweils repräsentierenden, für kompetent erachteten und bevorzugten Kandidaten. Dabei ist von untergeordneter Bedeutung, ob diese verschiedenen Abstimmungen am selben Tag oder zeitlich getrennt stattfinden. Das wäre die Chance, die in unseren bestenfalls halbdemokratischen Institutionen derzeit noch nicht bestehende Sach- und Bürgernähe zu gewinnen.Es wäre, sogar unabhängig von einem zu erwartenden weltweiten Finanzkollaps, auch die Chance, ein anderes, natur- und menschengerechteres Geldsystem, mit parlamentarischen Mitteln durchzusetzen. Ohne demokratische Grund-lagenbesinnung hilft uns jedoch ein Börsenkrach sowenig weiter wie die vorangegangenen Weltkriege.

Der vielfache Pfad

Auf dem Wege dahin sollten Freiwirtschaftler selbstverständlich ihr besonderes Anliegen vertreten, jedoch nicht mit einer der Sache schadenden Exklusivität, als ob jedes andere (wenn auch konvergierende) Reformanliegen daneben verschwindend unwichtig wäre. Ich kenne einen genialischen Mathematiker und Naturwissenschaftler, der meinte allen Ernstes, wenn er gewisse Ergebnisse publiziere, dann sei damit die Atombombe geistig abgeschafft und eine neue Gesellschaft geschaffen.Hier hat dieser kluge Mann einen blinden Fleck! Er bedachte nicht die gesellschaftlichen Vermittlungsschritte für die Wirksamkeit seiner Erkenntnisse. Obwohl die Freiwirt-schaft bereits gesellschaftsnäher ist, bedarf es auch für sie der politischen und geistigen Flankierung auf allen Ebenen.

Ziel: qualitative Erneuerung

Es gilt, sich zu verbünden mit all den Gruppen, die auf verschiedenen Wegen eine durchdachte und realistische, qualitative Erneuerung unserer demokratischen Gemeinwesen anzielen: sei es von einem spirituell und ökologischen Denken her, sei es im Namen der "Freiheit des Geisteslebens" und der "Bildungsfreiheit", sei es im Sinne neuer Formen von direkter Demokratie.Alle diese Wege konvergieren und können, ja müssen zum Erfolg führen, während die Exklusivität eines einzigen Weges ins Abseits der Erfolglosigkeit führen muß - weil doch noch nicht erfaßt ist, um welch große Gesamtaufgabe es sich handelt: um den Sprung aus dem Teufelskreis einer gedankenlos ökonomisch dominierten, weil überhaupt gedanklich unterbelichteten Gesellschaft.

Neues Paradigma

Diesen Sprung kann man nicht mit einer selbst ökonomistischen (vom Glauben an die alleinseligmachende Klärung der ökonomischen Basis geleiteten) Grundhaltung vollziehen, sondern allein mit dem Blick aufs Ganze und in der praktischen Annäherung von mehreren Seiten. Das ist das neue Paradigma: Im tatkräftigen Gehen auf unterschiedlichen Pfaden das Bewußtsein eines gemeinsamen Zieles wachzuhalten. Das verleiht wechselseitig Kraft und Mut. Keiner kann alle Pfade gleich intensiv gehen.Daß dieser vielfache Pfad sich in verfassungssystematischer Hinsicht in einen vierfachen bündeln läßt, darf dabei ohne Dogmatismus hinzugefügt werden. Es handelt sich bei der Viergliederung nicht um eine politische Sonderidee, sondern um eine geistesgeschichtlich notwendig anstehende Aufgabe von größter Tragweite. 9 Auch der Einsatz für die natürliche Wirtschaftsordnung muß vom Gedanken einer wesentlichen strukturellen Weiterentwicklung der Demokratie, d. h. einer freieren Gesellschaft, beseelt sein, um mit vielen Bündnispartnern zum Erfolg zu führen.

Fußnoten

1) Die weitere Untergliederung der Subsysteme, ebenfalls nach dem Reflexionsprinzip, dient hier nur zur ungefähren Veranschaulichung. Für das Kultur- und Grundwertesystem wird sie näher erläutert in J. Heinrichs, Entwurf systemischer Kulturtheorie. Nachwort "Handlung als Prinzip der Moderne" von Clemens K. Stepina, Donau-Universität Krems 1998 (ISBN 3-901806-04-0).2) So findet sich bereits in Helmut Creutz, Das Geldsyndrom, München 1993 das Bild des Hauses, dessen Untergeschoß die Wirtschaft bildet (Vorwort).3) Der Gedanke einer "Spartendemokratie" wird mit sehr guten politologischen Argumenten, wenn auch nicht in syste-misch fundierter Weise, ähnlich vertreten von Burkhard Wehner, Die Logik der Politik und das Elend der Ökonomie, Darmstadt 1995.4) Vgl. zur Kritik der unsachgemäßen Entgegensetzung von Anthroprozentrik zu Kosmoszentrik, Biozentrik usw. J. Heinrichs, Ökologik, Frankfurt/M 1997; im gleichen Sinne: Jochen Kirchhoff, Was die Erde will, B.-Gladbach 1998.5) Dies stellt das Hauptanliegen des "Büros für Bildungsfreiheit" dar, z. H. Bernhard Bartmann, Postfach 16 01 17, D-01287 Dresden. Dort kann gegen einen Betrag von 10,- DM ein 22seitiges "Manifest für Bildungsfreiheit" angefordert werden.6) Vgl. vom Verf.: Gastfreundschaft der Kulturen. Multikulturelle Gesellschaft in Europa und deutsche Identität, Essen 1994.7) Genannt seien: Mehr Demokratie e.V, München / Zeitschrift für Direkte Demokratie, Fax 089 / 8 21 11 76 sowie Stiftung Mitarbeit, Bonn, Fax 0228/604 24 22, die ein zentrales Treffen zu "50 Jahre Grundgesetz" in Berlin vorbereiten. Ferner: Bündnis für Volksabstimmung, Berlin Fax 030 / 78 70 34 16.8) Einer der wenigen Autoren, die Bewußtsein dafür zeigen, daß demokratische Verfassungen ständig der Weiterentwicklung und somit einer "Öffnungsklausel" bedürfen, ist Burkhard Wehner, Staat auf Bewährung. Über den Umgang mit einer erstarrten politischen Ordnung, Darmstadt 1993.9) Hierin lag Rudolf Steiner mit seiner eher intuitiven Rede von "Dreigliederung" als Inbegriff der sozialen Frage - etwa gleichzeitig mit Gesells "Natürlicher Wirtschaftsordnung" völlig richtig, wenngleich seine Idee in dieser Form von den Sozialwissenschaften kaum aufgegriffen werden konnte. Vgl. Rudolf Steiner. Soziale Zukunft (Vorträge von 1919), Dornach 1981, Gesamtausgabe Nr. 631; ders., Zur Dreigliederung des sozialen Organismus. Gesammelte Aufsätze 1919-1921. Stuttgart o. J. - Den Titel "Viergliederung" benutze ich, um die Konvergenz mit Steiners Idee anzuzeigen. Der Sache nach handelt es sich nicht um eine nachträgliche Erweiterung dieser Idee, sondern um einen davon unabhängigen handlungssystemtheoreti-schen Zugang, vgl.: Reflexion als soziales System. Zu einer Reflexions-Systemtheorie der Gesellschaft, Bonn 1976; Freiheit - Sozialismus - Christentum, Bonn 1978.


Quelle: Der 3. Weg - Februar 1999