Dreigliederung und Steuerreform

01.12.1996

Am 24. November fand im Rudolf Steiner Haus Frankfurt ein Seminar der Initiative" Netzwerk Dreigliederung " zum Thema "Steuerreform " statt. Dabei habe ich selber einleitend zur aktuellen Steuerreformdebatte referiert, Dr. Benediktus Hardorp behandelte dann ausführlich die Frage nach der Verbrauchsbesteuerung als dem sinnvollen Ziel jeder Steuerreform. Im folgenden habe ich versucht, wesentliche Positionen der Referate und des Gesprächs zusammenzufassen. Zur vertieften Beschäftigung mit dem Thema sei auf die in der Literaturliste zitierten Arbeiten von B. Hardorp verwiesen.

Krise der Staatsfinanzen und aktuelle Steuerreformdebatte - Tendenzen und Perspektiven

"Steuern sind Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einnahmen allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft; die Erzielung von Einnahmen kann Nebenzweck sein." So ist es im § 3 der Abgabenordnung definiert.1 In der Finanzwissenschaft sind verschiedenartige Steuerrechtfertigungstheorien entwickelt worden: Die sogenannte Äquivalenztheorie, nach der die private Steuerleistung als Äquivalent der allgemeinen staatlichen Leistungen aufzufassen ist, die "Assekuranztheorie" (Steuern als Beitrag für den staatlichen Schutz von Person und Eigentum) und die "Opfertheorie" (jeder Bürger muß im Maße seiner Leistungsfähigkeit an der Erfüllung der Gemeinschaftsaufgaben beteiligt werden).

Wie immer man Steuern rechtfertigt, gerechtfertigt ist auf jeden Fall der Satz Benjamin Franklins (1706-1790): "Das einzige, was im Leben feststeht, sind Geburt, Tod und Steuern."

Steuern und Staatsfinanzen im Wandel der Zeiten

Solange es eine menschliche Gemeinschaft gibt, gibt es die Frage, wie der Einzelne zum Gemeinschaftsleben "beisteuert". In den alten Theokratien ist freilich "Steuer" noch mit dem Tribut identisch, der dem Geistesleben geschuldet wird: "Alle Zehnten im Lande, beides vom Samen des Landes und von den Früchten der Bäume, sind des Herrn und sollen dem Herrn heilig sein." (3. Mose 27, 30) Neben solchen Naturalabgaben gibt es Arbeitspflichten für das Gemeinwesen (Fronarbeit usw.).

Steuern als Form der Staatsfinanzierung entwickeln sich in dem Maße, in dem der Staat als besondere Sphäre der Gesellschaft sich vom Geistesleben ablöst, das in frühen Zeiten Verwaltung und Wirtschaft noch mit regelte. Die Weihnachtsgeschichte berichtet von der Steuerschätzung des Kaisers Augustus: "Und jedermann ging, daß er sich schätzen ließe, ein jeglicher in seine Stadt." (Lukas 2) Mit Steuern wurden damals insbesondere die besiegten Völker belastet.

Der Erfindungsreichtum der Herrschenden in bezug auf neue Steuerarten war immer schon sehr groß. Die von Peter dem Großen 1699 eingeführte Bartsteuer ist nur ein besonderes Kuriosum. Manche Details der Architekturgeschichte sind ohne Kenntnis des jeweiligen Steuerwesens so gar nicht verständlich. Wo etwa, wie in Frankreich, die zur Straße liegenden Fenster besteuert wurden, gab es entsprechende architektonische "Steuervermeidungsstrategien".2 Daß das Hinzukommen neuer Steuern geschichtlich eher die Regel, die Abschaffung von Steuern der Ausnahmefall ist, versteht sich fast von selbst. Schon dadurch gibt es einen Trend zu wachsender Komplexität des Steuersystems.

Unsere heutigen Steuerarten knüpfen vielfach noch an alte Verhältnisse an, so die "indirekten" Steuern am sichtbarem Reichtum (Hubraum des Autos, Grundbesitz, Zahl der Fenster eines Hauses, Verbrauchsmengen von Mineralöl oder Genußgütern). Die direkten Steuern erfassen Gewinn oder Einkunftserzielung von Einzelpersonen oder Unternehmen als solche.3

Heute wirksame Tendenzen

Man könnte meinen, daß der moderne gegen den fürstlichen Obrigkeitsstaat gerichtete Demokratieimpuls zu einer Minderung drückender Steuerlasten geführt hätte. Dem ist aber nicht so: Gerade in der Moderne wird der Staat zum Steuerstaat! Noch vor eineinhalb Jahrhunderten wurden in einer ganzen Reihe der damaligen deutschen Staaten weniger als die Hälfte der Staatsausgaben aus Steuern bestritten.4

Die Gründe hierfür sind vielschichtig: Der moderne Staat weitete seinen Machtbereich immer mehr aus, griff regelnd in immer weitere Bereiche des gesellschaftlichen Lebens ein. Einerseits wurden große Teile des Kulturlebens zu Veranstaltungen des Staates, die nun über Steuern, d.h. durch "Zwangsschenkungen" finanziert wurden. Andererseits hat der Staat als "Sozial- und Wohlfahrtsstaat" seit den Bismarckschen Sozialreformen immer mehr Aufgaben im Bereich der sozialen Sicherheit übernommen, zu deren Lösung sich ein rein marktwirtschaftlich-kapitalistisch organisiertes Wirtschaftsleben als unfähig erwies.

Eine immer aufwendiger arbeitende Staatsmaschine mußte so am Leben erhalten werden. Die demokratische Legitimation durch die jeweiligen Volksmehrheiten hat den Trend zur Ausweitung der Staatstätigkeit eher gefördert als behindert. Einerseits konnte sich die Regierung immer auch auf den "Volkswillen" berufen, andererseits gewöhnten sich die Politiker daran, um Wählerstimmen durch Wahlversprechen zu werben, deren Erfüllung dann wieder zum Drehen an der Steuerschraube zwang.

All diese Entwicklungen der Moderne haben zwar die Lage weiter Bevölkerungsschichten in bezug auf Bildung und soziale Sicherheit bis heute entscheidend verbessert. Aber zugleich sind ihre Schattenseiten unverkennbar:

Wachsende Staatsquote: Derzeit beträgt sie ca. 50%, d.h. jede zweite Mark geht an den Fiskus oder die Sicherungssysteme.

Wachsende Staatsausgaben: Die Ausgaben der öffentlichen Haushalte in Deutschland betrugen inkl. Sozialversicherungen 1991 1,451 Bio. DM, 1994 1,761 Bio. DM.5

Wachsende Steuerbelastung: Die Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden betrugen 1970 153 Mrd. DM, 1993 bereits 749 Mrd. DM.6 Die Belastung eines Durchschnittsverdieners mit Steuern und Sozialabgaben stieg nach Berechnungen des Bundes der Steuerzahler von 27% 1969 auf 48% 1995.7

Wachsende Staatsverschuldung: Das Steueraufkommen reicht gleichwohl nicht aus, um die Staatstätigkeit zu tragen, weshalb ein gewichtiger Teil der öffentlichen Aufgaben "auf Pump" finanziert werden muß. Bund, Länder und Gemeinden (ohne Treuhand und Bundespost) waren Ende 1994 mit 1,655 Bio. DM verschuldet. Von diesen Schulden entfielen auf den Bund: 1,003 Bio. DM, auf die Länder 470 Mrd. DM, auf die Gemeinden 182 Mrd. DM. Die Zinsbelastung stieg entsprechend (Bundeshaushalt 1991: 44 Mrd. DM = 10%, Bundeshaushalt 1996:99 Mrd. = 21%).8 Diese Krise der Staatsfinanzen, die auch andere Länder trifft, wurde in Deutschland noch verschärft durch die Wiedervereinigung und die mit ihr verbundenen Transfers in die neuen Bundesländer. So betrug die "Wirtschaftsförderung Ost" im Jahr 1995 195,5 Mrd. DM (Bund 114,5 Mrd., Länderfinanzausgleich 49 Mrd., Arbeitslosenversicherung 18 Mrd., Rentenvers. 14 Mrd.).9 Über den als Ergänzungsabgabe zur Einkommen- und Körperschaftssteuer eingeführten Solidaritätszuschlag konnte nur ein kleinerer Teil dieser Kosten kompensiert werden. 10

Veränderte Rahmenbedingungen
Standortsicherungsfragen, Konvergenzkriterien der europäischen Währungsunion

Gleichzeitig kam es in den 90er Jahren zu Entwicklungen, die eine Lösung der Finanzierungsprobleme auf traditionelle Weise mehr oder weniger erschwerten bzw. ausschlossen:

Die sogenannte Globalisierung der Märkte führte zu verstärktem Druck der Wirtschaft in Richtung einer Senkung der Lohnnebenkosten, die als Hauptursache der Gefährdung des Standorts Deutschland durch Arbeitsplatzverlagerung betrachtet werden. Die hohe Arbeitslosigkeit führt wiederum zu Steuermindereinnahmen und gefährdet die auf den schrumpfenden Faktor Erwerbsarbeit basierten Sicherungssysteme: ein Teufelskreis.

Ein weiteres Drehen an der Steuerschraube erscheint daher als das falscheste Rezept zur Lösung der Probleme. Außerdem zwingt die politische Entscheidung für die europäische Währungsunion zu einer Stabilitätspolitik der Schuldenbegrenzung und des Sparens, hängt doch ihre Realisierung - und ihre Akzeptanz in der Bevölkerung, die sich um den Geldwert sorgt - an der Erfüllung der sogenannten Konvergenzkriterien. 11

Sparzwänge

Das am 25. April von der Koalition beschlossene Sparpaket - sicherlich nicht das letzte ist ein Versuch der Antwort auf diese Situation, wenn man auch seine Zweifel haben darf, ob damit mehr als das aktuelle Finanzloch gestopft wird (Einsparvolumen 25 Mrd. DM beim Bund und 25 Mrd. bei den Ländern) und wirklich mehr "Wachstum und Beschäftigung" erreicht werden kann.

Die Einsparungen setzen bei der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, beim Rentenzugangsalter, beim Kindergeld, bei den Einkommen im öffentlichen Dienst, bei der Arbeitslosenversicherung und der gesetzlichen Krankenversicherung an. Auf der anderen Seite soll der Kündigungsschutz gelockert, der Solidaritätszuschlag gesenkt und die Einkommensteuer reformiert werden. Die Vermögenssteuer auf Betriebsvermögen und die Gewerbekapitalsteuer sollen abgeschafft, die private Vermögenssteuer und die Erbschaftssteuer zusammengefaßt werden. 12 Das Paket stieß zwar auf massive Kritik von gewerkschaftlicher Seite und von Seiten der parlamentarischen Opposition, die monierten, die sozial Schwachen würden belastet, während gleichzeitig die Reichen (durch den Wegfall der Vermögenssteuer) entlastet würden. Doch der Zwang zum Sparen und zum "Umbau des Sozialstaats" wird als solcher auch von der Opposition gesehen.13 Gleichzeitig ergibt sich das Problem, daß Sparmaßnahmen immer auch die Gefahr mit sich bringen - durch Einschränkung der Massenkaufkraft -, konjunkturdämpfend zu wirken und damit die finanziellen Spielräume des Staates und der Wirtschaft zusätzlich einzuengen. Die Brüning-Politik der Weimarer Zeit ist das einschlägige warnende Beispiel.

Exkurs: Zur Entwicklung des Steuersystems in Deutschland

Spätestens seit dieser Ankündigung ist klar: eine Steuerreform kommt. Eine offene Frage ist allerdings, ob die Situation als Chance zu einer wirklich an die Wurzel gehenden Überprüfung des bestehenden Steuersystems genutzt wird, oder ob sich die Reformen auf Unwesentliches beschränken werden.

In diesem Zusammenhang kann eine Besinnung auf die Geschichte des deutschen Steuersystems die Urteilsgrundlagen erweitern. Ein profilierter Steuerreformer der Union, Gunnar Uldall, hat eine solche Besinnung zum Ausgangspunkt seiner Überlegungen für eine "Steuerwende" gemacht. 14

Die deutsche Kleinstaaterei hatte zu einem unüberschaubaren steuerpolitischen Flickenteppich geführt. Erst im 19. Jahrhundert kam es zu Vereinheitlichungen, für die der Wiener Kongreß von 1815 die Voraussetzungen geschaffen hatte, auf dem sich 38 souveräne Fürstentümer und freie Städte zum Deutschen Bund zusammengeschlossen hatten. Schon damals war es vor allem das wirtschaftlich aktive Bürgertum, das sich gegen das Chaos der verschiedensten Steuersysteme und die vielen Zölle im Reichsgebiet wehrte. "15

1891 reformierte der preußische Finanzminister Johannes von Miquel das Steuersystem grundsätzlich. Seine Reform beinhaltete die Besteuerung nach Leistungsfähigkeit, klare Definition von Steuerpflicht, Bemessungsgrundlage und Steuersatz, Freistellung des Existenzminimums, Kinderfreibeträge und Absetzung von Werbungskosten. Das danach verbleibende Einkommen wurde einem progressiven Steuertarif (einem Stufentarif) unterworfen, der von 0,67 % bis 4 % ging. Der Spitzensteuersatz griff erst ab dem damals märchenhaften Einkommen von 100.000,- Mark. 900,- Mark blieben als Existenzminimum steuerfrei.

Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs hatte Deutschland enorme Kriegsschulden, der Finanzbedarf stieg. Die Erzbergersche Steuerreform von 1919/20 hob den Spitzensteuersatz bei der Einkommensteuer auf 60% an, außerdem wurde die Körperschaftssteuer eingeführt. Auch am Ende des Zweiten Weltkriegs hatten sich gigantische Staatsschulden aufgetürmt. Ein völliger Neuanfang war nötig. Dabei stand zunächst die Abschöpfung überflüssiger Kaufkraft und die Kontrolle der Inflation im Vordergrund. Ein alliiertes Kontrollratsgesetz vom 1. 1. 1946 hob die Steuersätze massiv an: Ein Spitzensteuersatz von 95% ab 100.000,- wirkte konfiskatorisch und erdrosselnd auf die Wirtschaft. Die Währungsreform von 1948 beendete diese Phase. Nun ging es um die Mobilisierung von Kapital für den Wiederaufbau. Das Steuersystem wurde nun zunehmend nicht nur als Finanzbeschaffungsinstrument des Staates, sondern auch als Mittel zur gezielten Förderung bestimmter wirtschaftspolitisch erwünschter Entwicklungen benutzt. Neben das Prinzip "Finanzbeschaffung durch Steuern" trat als zweites Prinzip das "Steuern durch Steuern". Steuervergünstigungen für Ersparnisse und Investitionen wurden gewährt, die Selbstfinanzierung der Unternehmen gefördert, Sonderabschreibungen ermöglicht, der Wohnungsbau steuerlich gefördert. In der zweiten Hälfte der 50er Jahre standen struktur- und regionalpolitische Zielsetzungen im Vordergrund (Berlinförderung etc.). Weitere Anliegen waren die Mittelstandsförderung und die Begünstigung der freiwilligen Altersvorsorge.16

Eine solche Strategie unterstellt jedoch, daß der Staat jeweils weiß, was "im Interesse der Wirtschaft" zu fördern ist. Wo dies nicht der Fall ist, kommt es notwendig zur Fehlallokation von Kapital, - ein wesentlicher Kritikpunkt der heutigen Steuerreformer am "Steuern durch Steuern": Durch die seinerzeit vorhandenen finanzpolitischen Spielräume des Staates sei dieses Problem nur verdeckt worden.

Die radikalste Änderung im Steuersystem nach dem Kriege war die Ersetzung des Stufentarifs durch einen Formeltarif (mathematische Funktion) im Zuge der "großen Steuerreform" von 1954/55: Die Steuer steigt nun nicht mehr in Form einer Treppe, sondern in der einer Kurve progressiv an. 1958 wurden dann das Ehegattensplitting und andere Veränderungen bei der Familienbesteuerung eingeführt.

Die große Koalition (mit dem Ministergespann Strauß und Schiller) betrieb eine "keynesianistische" Wirtschaftspolitik. Sie machte "mit ihrem Stabilitäts- und Wachstumsgesetz von 1967 den Versuch, auch die private Nachfrage nach konjunkturpolitischen Erfordernissen zu steuern". Herausgekommen sei "jedoch nicht viel mehr als eine hektische "Stop-and-go" politik".17

Die unter der Ägide des Ministers Stoltenberg begonnene dreistufige "große Steuerreform" (1986, 1988, 1990) hatte das Ziel deutlicher Steuersenkungen in drei Schritten bei gleichzeitiger Senkung der öffentlichen Defizite und der Staatsquote. Sie blieb jedoch Flickwerk, schon weil die deutsche Einheit alle Planungen über den Haufen warf.

Uldall kommt im Hinblick auf die Reformversuche des Steuersystems zu der vernichtenden Diagnose, daß "aus der klaren, verständlichen und gerechten Einkommensteuer des Finanzministers Johannes von Miquel im Laufe von hundert Jahren ein Steuergestrüpp"18 geworden sei. Es fragt sich allerdings, ob dies nur eine Folge der Abweichung vom Miquelschen Modell ist oder ob dieses Modell selber bereits systematische Defizite aufweist.

Die Undurchschaubarkeit unseres Steuersystems

Allgemein wird über einen "Dschungel" der verschiedensten Steuern und Steuerregelungen geklagt. Der Finanzwissenschaftler Manfred Rose kommt in diesem Zusammenhang zu folgender Einschätzung: "Wegen des Mißbrauchs der Gesetze als Spielwiese für die Verfolgung allgemein wirtschaftspolitischer, wohnungspolitischer, sozialpolitischer und weiterer nicht auf die Verwirklichung der eigentlichen Steuerfunktionen gerichteter Ziele ist ein nahezu chaotischer Regelungswirrwarr entstanden. Der durch stetige Anhäufung von Steuerermäßigungen entstandene Wust von Subventionselementen führt zu einem dramatischen Verlust an Transparenz. Die betroffenen Bürger werden hierdurch veranlaßt, den staatlichen Steueranspruch immer weniger zu akzeptieren und die sich ihnen mehr und mehr bietenden Wege der Steuervermeidung zunehmend zu nutzen."19 Nach Schätzungen der deutschen Steuergewerkschaft werden 12% des Bruttosozialprodukts am Fiskus vorbei in der Schattenwirtschaft erzeugt, was einen jährlichen Verlust von 130 Mrd. DM zur Folge hat.20 Auch empfehlen Banken ganz offen beispielsweise "Luxemburg als Zweitwohnsitz für Ihr Geld".

Das Steuersystem ist inzwischen derartig verwickelt und unüberschaubar geworden, daß es selbst für die Finanzverwaltungen nur noch schwer und mit enormen Kosten handhabbar ist. Von 1988 bis 1995 ist das Einkommensteuergesetz durch weit über 30 Gesetze geändert worden. 60% der in der Welt veröffentlichten Literatur zum Steuerrecht erscheint in Deutschland.

Der zunehmenden steuerlichen Belastung stehen auf der anderen Seite immer neue steuerliche "Gestaltungsmöglichkeited gegenüber, die im Ergebnis dazu führen, daß die wirklich Reichen den Spitzensteuersatz von 53% nur selten zahlen. Denn mit wachsendem Einkommen wachsen eben auch diese "Gestaltungsmöglichkeiten".21 Durch großzügige Sonderabschreibungen für den Aufbau Ost wurden diese Gestaltungsmöglichkeiten noch erweitert. Wo jedoch das Motiv der Steuervermeidung bei Investitionen Vorrang vor ökonomischer Vernunft hat, ist häufig Kapitalvernichtung vorprogrammiert.

Die gegenwärtige Debatte, Bareis-Gutachten, Uldall-Thesen

Im Herbst 1994 legte eine Expertenkommission des Bundesfinanzministeriums unter Leitung des Stuttgarter Professors für betriebswirtschaftliche Steuerlehre Peter Bareis Thesen zur Reform des Steuersystems vor. Sie sahen u.a. vor, Ausnahmen und Vergünstigungen teilweise abzuschaffen und die Steuersätze für alle zu senken. Alle Einkunftsarten seien steuerlich gleich zu behandeln (nur bei Kapitalerträgen hielt man eine maximale Belastung von 30% für angemessen), die Sozialeinkünfte seien zu besteuern. Auch wurde eine Besteuerung von Gewinnen aus dem Verkauf von Wertpapieren oder nicht selbst genutzten Immobilien gefordert.22

Eine rasche Umsetzung der Vorschläge wie auch des Waiglschen 20-Punkte-Planes zur Steuervereinfachung vom September 1994 erfolgte jedoch nicht. Zu den Debatten um das Jahressteuergesetz 97 äußerte sich Bareis denn auch skeptisch: " ... [Das] Recht wird wieder einmal komplizierter statt einfacher." In bezug auf Streichungen von Vergünstigungen seien die Reformer "schweigsam, weil sie sofort niedergemacht werden, wenn sie irgendwelche Besitzstände angreifen".23

Hier liegt in der Tat der Hund begraben. Es ist ja nicht so, als habe es nicht seit Jahrzehnten immer wieder Vorstöße zur Steuervereinfachung gegeben. Nur sind sie immer wieder am Widerstand der Interessen gescheitert.

Aus dieser Tatsache zieht der CDU-Steuerpolitiker Gunnar Uldall die Konsequenz: "Eine radikale Reform ist leichter durchsetzbar als eine halbherzige!" Denn nur wenn alle Ausnahmen beseitigt werden, wird das Argument "Warum werden uns Steuervorteile gekürzt, die anderen nach wie vor gewährt werden?" entkräftet. Durch eine allgemeine Steuersenkung sinke zudem der Wert der einzelnen Vergünstigung.

Uldall gibt sich in seiner Kritik am bestehenden Steuersystem, dessen Schwachstellen er folgendermaßen charakterisiert, radikal:

1. Leistungsfeindlichkeit: Relevant für die Leistungsbereitchaft sei die sogenannte Grenzsteuer, d.h. die Frage, was von der zusätzlich verdienten Mark übrigbleibt. Der Spitzensteuersatz von 53%, der im Tarif 96 ab 120 TDM bei Ledigen und 240 TDM bei Verheirateten greift, steige mit Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag leicht auf ca. 60% an, aber auch bei geringeren Einkommen kämen von der Bruttogehaltserhöhung oft weniger als 1/3 beim Gehaltsempfänger an. Auch der Eingangssteuersatz, der heute über dem Existenzminimum (12.095 DM) mit 25,9% greift, sei leistungshemmend, da so kaum Anreize zur Aufnahme von Beschäftigung gegeben seien (Verletzung des Abstandsgebots zwischen Sozialhilfe und bezahlter Arbeit). Eine Einheitssteuer ("flat tax") - 16-17% durchgehend auf das gesamte Einkommen -, wie sie in den USA diskutiert wird, sei für Deutschland undenkbar, weil die Besteuerung nach Leistungsfähigkeit Verfassungsrang hat. Daher sei der Weg über die Senkung des Grenzsteuersatzes und den radikalen Abbau von Vergünstigungen zu gehen.

2. Ungerechtigkeit und Kompliziertheit: Die Vielzahl von Ausnahmen müsse geradezu notwendig zu Ungerechtigkeiten führen. Wer mit Kindern Singen übt, bekommt z.B. keine Vergünstigung, wer Turnen übt, bekommt eine. Im übrigen sieht der Formeltarif nur optisch gerecht. Da die Formel zu kompliziert sei, müsse er wie ein Stufentarif mit kleinsten Stufen behandelt werden (so sind ja die Einkommensteuertabellen aufgebaut). Werde z.B. eine Stufe um 1,- DM überschritten, könne aus dem Mehrverdienst von 1,-DM ein Einkommensverlust von 27,- DM werden.24

Die Kosten der Steuererhebung seien unverhältnismäßig hoch. Da eine Besteuerung von Kapitaleinkünften nicht lückenlos möglich sei, werde bei den weniger Vermögenden kassiert, was beschäftigungspolitisch bedenklich sei. Gäben doch die kleinen Einkommensbezieher einen höheren Prozentsatz ihres Einkommens für den Konsum aus.

4. Beschäftigungsfeindlichkeit, Standortgefährdung: Von 1990 bis 1995 haben deutsche Unternehmen 211 Mrd. DM im Ausland investiert, umgekehrt sind nur 30,7 Mrd. von ausländischen Firmen in Deutschland investiert worden.25 Ein Hauptgrund hierfür sei, daß die Gesamtsteuerbelastung von Kapitalgesellschaften in Deutschland mit am höchsten sei. Zwar sei die Effektivsteuerlast in den USA höher als am Spitzensteuersatz ablesbar, weil die Spielräume für Absetzungen weit geringer seien als bei uns.26 Dennoch sei auch effektiv die Belastung in der BRD mit am höchsten; außerdem spiele eben die Optik für die Standortwahl eine nicht zu unterschätzende Rolle.

Uldalls Alternative: Alle Ausnahmetatbestände so regeln, daß keiner mehr als 28% Steuern zahlt! Ein einfacher Stufentarif (Stufentarife gibt es auch in vielen anderen Ländern) soll für Durchschaubarkeit sorgen: Der Grundfreibetrag soll 12.000,- betragen. Bis 20.000 soll der Steuersatz 8%, bis 30.000 18%, ab 30.000 28% betragen. Die Stückelung gilt immer für den oberhalb der Stufe liegenden Einkommensteil. Wer also als Lediger 50.000,verdient, hat 12.000,steuerfrei, 8.000,- versteuert er mit 8%, 10.000,- mit 18% und 20.000,- DM mit 28%.

Von einer solchen Reform erwartet sich Uldall u.a. folgende Wirkungen: Durch den Eingangssteuersatz von 8% Anreize zur Aufnahme von Beschäftigung (Lohnabstandsgebot). Eindämmung der Schwarzarbeit. Förderung der "Motivation der Leistungsträger" durch den Spitzensteuersatz. Entfallen des Feilschens um die Anerkennung von Sonderausgaben. Kapitalflucht wird uninteressant. Sparer müssen nicht mehr die Freistellung vom Zinsabschlag beantragen. Starke Vereinfachung von Lohnbuchhaltung, Prüfungen durch Finanzverwaltungen und Steuerberater. Endlich eine Abstimmung zwischen Einkommen- und Körperschaftssteuer. Statt wie heute 45% auf einbehaltene, 30% auf ausgeschüttete Gewinne, ein einheitlicher Spitzensteuersatz von 28%. Verbesserung der steuerlichen Bedingungen des Standorts Deutschland. Gleichbehandlung von Personen- und Kapitalgesellschaften (Rechtsformneutralität). Förderung der Eigenkapitalbildung. Entfallen von Ausschüttungen aus steuerlichen Gesichtspunkten. "Die Schütt-aus-hol-zurück-Politik zur Vermeidung des hohen Steuersatzes bei Gewinnthesaurierung wird sich nicht mehr lohnen. Der sogenannte Ausländereffekt, d.h. die steuerliche Besserstellung von ausländischen Anteilseignern wird entfallen."27

Im großen und ganzen sei eine solche Steuerreform aufkommensneutral durchführbar, weil durch die radikale Abschaffung aller Steuervergünstigungen und Privilegien die Bemessungsgrundlage so verbreitert werde, daß das Steueraufkommen nicht sinken müsse. (Werbungskosten und Betriebsausgaben sollen weiterhin absetzbar bleiben.) Im übrigen sei darauf zu setzen, daß die Steuerreform schon durch die Ankurbelung der Investitionstätigkeit sich größtenteils von selbst finanzieren werde. Als ultima ratio bleibe immer noch die Möglichkeit einer Gegenfinanzierung z.B. über die Mehrwertsteuer.

Der Staat gewinne auf diese Weise Handlungsspielraum zurück. Wo er "steueen" wolle, solle er das besser über direkte Zuweisungen besorgen. Das schaffe Transparenz und sei demokratisch überprüfbar, während die fiskalischen Ausfälle durch Steuervergünstigungen teilweise nicht einmal bekannt seien.

Aus dem Leitantrag des CDU-Parteitags vom 20.-22. 10. 96

"Unser Steuerrecht muß leistungsfreundlich und überschaubar werden. Das deutsche Steuerrecht ist zu kompliziert und dadurch ungerecht geworden. Das Hauptproblem liegt in der Existenz einer Vielzahl von Sonderregelungen und Steuervergünstigungen, die die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer aushöhlen und somit hohe, leistungsfeindliche Steuersätze erzwingen. Diese Ausnahmetatbestände sind weitgehend zu streichen und gegebenenfalls durch direkte, d.h. offene und zeitlich befristete Zuwendungen zu ersetzen. [ ... ] Wir werden die steuerlichen Rahmenbedingungen für Unternehmen verbessern: Zum 1. 1. 97. soll die Gewerbekapitalsteuer abgeschafft, die Gewerbeertragssteuer mittelstandsfreundlich gesenkt und die betriebliche Vermögenssteuer ersatzlos gestrichen werden." Die geplante Einkommensteuerreform solle dem "Grundsatz niedrige Steuersätze und weniger Ausnahmen zum Durchbruch verhelfen. Unsere Reformziele sind eine deutliche Nettoentlastung der Steuerpflichtigen und eine drastische Vereinfachung des Steuerrechts. [ ... ] Es ist unser Ziel, im Rahmen eines linear-progressiven Tarifs oder eines Stufentarifs den Eingangssatz der Einkommensteuer von derzeit 25,9 Prozent auf einen Wert unter 20 Prozent und den Spitzensatz von derzeit 53 Prozent auf einen Wert um 35% zu senken. Bei so niedrigen Steuersätzen sind Sonderregelungen und Steuervergünstigungen weitgehend entbehrlich. [ ... ] Der Spitzensatz der Einkommensteuer und der Thesaurierungssatz der Körperschaftssteuer werden auf niedrigem Niveau vereinheitlicht. Einkunftsbezogene Freibeträge werden abgebaut. Nur die Nettoeinkünfte dürfen besteuert werden, und unvermeidbare Privatausgaben müssen von der Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer abziehbar bleiben. Zukünftig entstehende und bei Veräußerung realisierte Wertveränderungen im Grundvermögen (außer bei selbstgenutztem Wohneigentum) und bei Wertpapieren sollen auch außerhalb des Betriebsvermögens steuerlich erfaßt werden. [ ... ] Aufwendungen für Fahrten zum Arbeitsplatz werden anstelle der bisherigen Kilometerpauschale zukünftig mit einer Entfernungspauschale in Höhe von 0,20 DM je Entfernungskilometer und Arbeitstag berücksichtigt. [ ... ] Es ist unser Ziel, auch im Unternehmensbereich die Bemessungsgrundlage zu verbreitern. Hierzu gehört, daß Abschreibungen nur noch insoweit zulässig sind, als sie den tatsächlichen Werteverzehr wiedergeben.[ ... ] Dem Gemeinwohl verpflichtete Organisationen müssen auch weiterhin gefördert werden. Deswegen halten wir an der Abziehbarkeit von Kirchensteuer und Spenden für gemeinnützige Zwecke von der Einkommensteuer fest."

Was kommt?

Kommt eine radikale Steuerreform à la Uldall? Und wie radikal ist der Uldall-Vorschlag wirklich? Die Bundesregierung steht in der Pflicht zur erneuten Steuerreform. Aber so heiß soll es offensichtlich nicht gegessen werden. Jedenfalls schreibt der "Spiegel" (Nr. 35/1996) unter dem Titel "Streichen ohne System": "Konkrete Pläne für die angekündigte Steuerreform gibt es noch nicht, doch schon wird sie nach allen Seiten zerredet, die Interessenvertreter spielen die Reformer gegeneinander aus. Daß es tatsächlich zu einem radikalen Umbau des Steuersystems mit niedrigen Tarifen kommt, wird immer unwahrscheinlicher."

Verdrängte Umwelt?

"Obwohl das Abgabensystem hierzulande ökonomisch und ökologisch blind ist, will die Regierung nicht einmal einen Einstieg in die Ökosteuern wagen - und der Protest von Opposition und Gewerkschaften ist kaum vernehmbar. Selten hat sich die politische Elite so sang- und klanglos von einem zentralen politischen Thema verabschiedet. Vor allem die Lobby der großen Energieverbraucher hat es geschafft, alle politischen Bekenntnisse zur Integration des Umweltgedankens in das Steuersystem als wirtschaftspolitischen Frevel zu brandmarken.

Dabei zeigt eine Defizitanalyse des deutschen Steuer- und Abgabensystems, daß sich der Einbau einer Ökokomponente in das Reformvorhaben geradezu anböte:

Erstens hat sich das Verhältnis von direkten zu indirekten Steuern seit 1960 dramatisch zu Lasten der direkten Steuern verschoben. Damals trugen sie nur mit 42 Prozent, heute aber mit 52 Prozent zum gesamten Steueraufkommen bei. [ ... ] Die öffentlichen Zwangsabgaben lasten in zunehmendem Maße auf dem Produktionsfaktor Arbeit. [ ... ] Demgegenüber trägt selbst bei großzügiger Kalkulation der Faktor Natur, im wesentlichen über die Mineralölsteuer, mit nur neun Prozent zum Abgabenaufkommen bei - mit abnehmender Tendenz. [...]

Dabei waren intelligentere Vorschläge vor kurzem sogar noch aus dem Regierungslager selbst zu vernehmen. So machte sich die Bonner FDP-Fraktion für einen dritten, erhöhten Mehrwertsteuersatz auf Energie stark. Der Charme dabei: Die Endverbraucher verspüren ein Signal zum Energieeinsparen, während die im internationalen Wettbewerb stehenden Produzenten nicht belastet werden."

(Aus: Fritz Vorholz: Verdrängte Umwelt. In "Die Zeit" vom 11. 10. 1996.)

Was immerhin zu erwarten ist, sind Korrekturen nach unten am Eingangs- und Spitzensteuersatz. In diese Richtung gehen jedenfalls viele Vorschläge, die auf dem Markt sind. So wird z.B. im Leitantrag zum CDU-Parteitag (siehe Kasten) ein Eingangssteuersatz von unter 20 und ein Spitzensteuersatz von unter 35 % gefordert. Der taktische Koalitionsstreit, ob der Einstieg in die große Steuerreform bereits 1998 oder erst 1999 beginnen soll, ist wohl eher nebensächlich.

Bemerkenswert ist, daß die Ökologie bei der gegenwärtigen Steuerreformdiskussion kaum noch eine Rolle spielt - obwohl selbst die CDU noch vor zweieinhalb Jahren von einer ökonomischen und ökologischen Neuorientierung des Steuersystems gesprochen hatte. Daß diese Diskussion um die sogenannten "Ökosteuern" nicht frei von Illusionen und Mißverständnissen war, steht auf einem anderen Blatt. B. Hardorp plädierte bei dem Seminar für das Modell des Ökozinses (Otto Schily). Während eine Steuer nicht an den Erhebungszweck gebunden ist, so daß sie der Staat vereinnahmen kann, ohne mit dem einbehaltenen Geld etwas konkret für die Umwelt zu tun, wirke ein zweckgebundener Ökozins gezielt als Ausgleich für die Umwelteingriffe im Sinne des Verursacherprinzips.28

Nettoentlastung und Gegenfinanzierung

Offen ist gegenwärtig nicht nur die Frage, wie Eingangs- und Spitzensteuersatz endgültig aussehen werden und welche Steuervergünstigungen endgültig entfallen. Offen ist auch, welche Nettoentlastung die Steuerreform den Bürgern tatsächlich bringen kann. Gegenwärtig wird über ein Volumen von 30 Mrd. DM gesprochen.29

Das wird nur gehen, wenn weitere Einsparungen, z.B. durch Abbau von Subventionen, erfolgen. Aber auch das wird vermutlich nicht ausreichen, so daß die Frage entsteht, wie die Gegenfinanzierung des verbleibenden Rests aussehen soll. In diesem Zusammenhang ist die Debatte über eine Erhöhung der Mehrwertsteuer voll entbrannt. Das zeigen Stellungnahmen der jüngsten Zeit: Der FDP-Fraktionsvorsitzende Solms will weitgehend ohne eine solche Erhöhung auskommen. Auch der SPD-Vorsitzende Oskar Lafontaine sprach sich dagegen aus, mit dem Argument, die Erhöhung belaste die Kaufkraft der Familien. Dagegen votierten CDU-Fraktionsvize Heiner Geißler und die stellvertretende DGBVorsitzende Engelen-Käfer für eine Erhöhung.30

Damit kommt durch die Hintertür des Gegenfinanzierungsproblems ein Thema ins Gespräch, das mit der Frage nach den generellen Perspektiven der Weiterentwicklung des Steuersystems zusammenhängt. Es geht um die Frage, welche Rolle der Verbrauchsbesteuerung für eine sinnvolle Steuerreform zukommt. Leider spielt dieser Gesichtspunkt aber gegenwärtig in der Debatte der Politik - anders als in der Finanzwissenschaft - noch kaum eine Rolle. Hier wird nur ganz pragmatisch darauf gesehen, wie Löcher gestopft werden können.

In einer Besinnung auf die Rolle der Verbrauchsbesteuerung als sinnvolles Ziel jeder Steuerreform läge aber die Chance, zu einer wirklich radikalen (radix = die Wurzel) Steuerreform zu kommen.

Es war Rudolf Steiner, der im Zusammenhang mit seinen Bemühungen um eine soziale Erneuerung in den Jahren 1917-1922 auch Überlegungen zum Steuersystem anstellte, u.a. bei den der baden-württembergischen Volksbewegung für die Dreigliederung vorangehenden Dornacher Januar-Gesprächen 1919 (siehe Kasten). Dabei sind weniger technische Einzelheiten interessant, die teilweise als zeitbedingt zu gelten haben, als vielmehr der Ansatz der Besteuerung nicht bei der Leistung, sondern bei der Leistungsentnahme. Wegweisend dürfte auch die Idee sein, das Instrument der Verbrauchsbesteuerung sozialgerecht auszugestalten, indem für Güter, die Grundbedürfnissen dienen, niedrige Steuersätze erhoben werden.

Die Frage verschiedener Mehrwertsteuersätze spielt auch gegenwärtig eine Rolle. So wird jetzt schon für Bücher und Lebensmittel ein niedrigerer Satz von 7% erhoben. Im Kontext mit dem Einwand, die Anhebung der Mehrwertsteuer treffe vor allem die kleinen Einkommensbezieher, wird hier und da eine weitere Differenzierung der Steuersätze erwogen. So äußerten sich CDU-Politiker in der Richtung, daß beispielsweise alle Güter, die von Familien mit Kindern benötigt würden (wie Babynahrung, Windeln usw.) geringer oder überhaupt nicht besteuert werden sollten. Solche Erwägungen könnten Anlaß sein, den Arbeitsansatz der Verbrauchsbesteuerung im Sinne der Dreigliederung stärker aufzugreifen und auch im Dialog in der Öffentlichkeit fruchtbar zu machen.

Verbrauchsbesteuerung - sinnvolles Ziel jeder Steuerreform

An dieser Stelle setzte nun Benediktus Hardorp mit seiner Betrachtung ein. Die Art der Steuererhebung sei immer Spiegel der Seelenentwicklung und der Art des Denkens über den Menschen. In unseren Steuerarten widerspiegelten sich vergangene Seelenzustände. Indirekte Steuern setzen zunächst beim äußerlich sichtbaren Reichtum an: der Zahl der Fensterkreuze o.ä. Auf Gewinn und Verlust wird dabei noch nicht gesehen. Jemand der hat, soll mit dem Gemeinwesen teilen. Darin ist die Geste der Empfindungsseele sichtbar. Die Ertragsbesteuerung braucht dagegen schon eine kompliziertere Buchführung, Kategorien wie Gewinnerzielung, Kostenvortrag und -rücktrag treten auf, kurz es ist eine verstandesmäßige Durchdringung erforderlich (Verstandesseele).

In der Buchführung der alten Sumerer z.B. finden wir noch keine Gewinnermittlung, sondern nur Verzeichnisse. Erst im 15. Jahrhundert kommt unsere moderne, "doppelte" Buchführung auf, in der jede Buchung ihre Gegenbuchung nach sich zieht.

Luca Pacioli stellt sie als erster - für einen jungen kaufmännischen - Freund dar; im 8. Buch von Goethes "Wilhelm Meister" wird sie als eine der schönsten Erfindungen des menschlichen Geistes bezeichnet. Die moderne Buchführung hilft, das Leben der sozialen Gebilde in seinen Werdestufen zu verfolgen. Die einzelnen Geschäftsvorfälle werden in ihrem Sinnzusammenhang systematisch erfaßt. Eröffnungsbilanz und Schlußbilanz am Zeitraumende erfassen die Situation am jeweiligen Stichtag, eine Gewinn- und Verlustrechnung wird erstellt. Die Situation wird so in ihrer Gewordenheit erfaßt, die Werdeschritte nachgezeichnet. Man kann nun fragen: Wurden die Ziele erreicht? Welche Aufgabenstellung für die Zukunft eines Unternehmens ergeben sich?

Rudolf Steiner, Januar 1919

Auszug aus: Roman Boos (Hrsg.): R. Steiner, Sozialwissenschaftliche Texte. Studienmaterial zur Sozialwissenschaft. Freiburg i.Br.

Zwischenfrage nach der Gestaltung der Steuern.

Die Steuerfragen stehen heute auf ganz verkehrten Füßen. Wenn man heute von Ausgabensteuern spricht, so denken alle an indirekte Steuern. Ich denke aber an AusgabenBesteuerung. Die wichtigsten Lebensbedürfnisse sind gering zu besteuern. Die weniger wichtigen stärker. Das Bankdepot ist Ausgabe.

Zwischenfrage: Wer wird Steuereinnehmer sein? Wie ist die praktische Verwirklichung denkbar?

Beispielsweise so, daß jeder verpflichtet ist, am Anfang des Monats so und so viele Stempelmarken zu kaufen. Wenn Sie dann eine Ausgabe machen, müssen Sie eine Marke abgeben. Diese Marken müssen dann wieder einkommen wie die Fahrkarten der Eisenbahnen. Die Steuer wird nicht vom Produzenten bezahlt. Sie ist bezahlt, bevor die Ausgabe gemacht wird. Es werden Kategorien der Steuerhöhe eingerichtet werden. Dies System wird sehr einfach sein. Aber es spielt überall das menschliche Urteil hinein. Es werden immer Fragen entstehen. Wenn ein neues Bedürfnis entsteht, entsteht eine neue Produktion. Und nun entsteht die neue Frage: Wie ist ein solcher Artikel zu besteuern? Es wird nie losgelöst die Produktion vom menschlichen Urteil. Das Geld, das ins Ausland geht, müßte an der Grenze Steuer zahlen.

Zwischenfrage: Wie finanziert sich dann die geistige Produktion?

Es handelt sich darum, daß man spezifiziert. Der geistige Arbeiter wird gewisse Dinge für seine Arbeit brauchen. Sie werden gering versteuert sein. Wer zugleich industrieller Unternehmer ist, wird für alles das, was er für seine industriellen Unternehmungen braucht, hohe Ausgabensteuern zahlen müssen.

Doppelte Buchführung, Kapitalwirksamkeit

Ein Unternehmen kann aufgefaßt werden als ein soziales Gebilde mit Innensteuerung, das einen Teil der Sozialität darstellt.31 Das sogenannte Eigenkapital (die Differenz zwischen Vermögen und Schulden) drückt den Gestaltungs- und Freiraum des Unternehmens aus (wobei noch einmal zu differenzieren wäre zwischen Einlagen und Wertschöpfungsüberschüssen). Kapital ist dabei nichts Materielles: es liegt nicht nachzählbar im Panzerschrank. Kapital ist eine spirituelle Kategorie, es kann nicht sinnlich angeschaut, sondern muß durch denkende Beobachtung ermittelt werden. Das Kapital ist das Instrument und Ergebnis von unternehmerischer Intelligenz und Initiative, man kann es als den Prozeß auffassen, der Elemente der Sinneswelt zu Unternehmensrealitäten konfiguriert.

Die doppelte Buchführung beginnt im Zeitalter der sich entwickelnden Bewußtseinsseele. Sie ist mehr als eine Übersicht beispielsweise über Debitoren und Kreditoren, die auch auf dem Niveau der Verstandesseele geleistet werden kann. Doppelte Buchführung bedeutet im Grunde, soziale Systeme denken zu können, sich Rechenschaft über die Wirkungen des eigenen Tuns ablegen zu können, sowohl im Hinblick auf die Vergangenheit als auch auf die Zukunft, und aus dieser Selbstreflexion heraus ein Unternehmen steuern zu können. Es geht letztlich um das Verhältnis zu Schicksalsfragen: man muß die Folgen des eigenen Tuns ebenso verkraften, wie das, was von außen herankommt und zum eigenen Schicksal wird (als Wechselkursschwankung, Kundenpleite usw.). In diesem Sinne, so Hardorp, sei Buchführung elementare Karmaforschung.

Was als Anlage und Umlaufvermögen auf der Aktivseite der Bilanz steht, ist noch sinnlich greifbar: Man kann es sehen, anfassen, zählen, wiegen usw. Bei der Passivseite ist das Denken gefordert. Es geht beim Verhältnis von Eigen- und Fremdkapital um soziale Relationen, um sinnlich nicht Wahrnehmbares. Man kommt mit der Betrachtung wie ins Nichts, in eine Auflösung des üblichen Realitätserlebens. Es ist eine ähnliche Situation wie die vielfach von R. Steiner geschilderte in bezug auf das Auffassen des Willens in seiner Realität - nicht als bloße Vorstellung der Willenshandlung oder des Gewollten. Dieser entzieht sich dem Bewußtsein und zeigt sich nur negativ als Unterbrechung der Bewußtseinskontinuität. In dieser Eigenschaft des Kapitals liegt auch der Grund für die Möglichkeit, die Überschußbildung als mystische Eigenschaft des Geldes ("Geld arbeitet) mißzuverstehen und damit ihre wirkliche Quelle zu verkennen.

Rudolf Steiners Thema ist das Problem der Initiative. Das Ich ist seinem Wesen nach Tätigkeit, die sich in das Weltganze einfügt, es lebt sich aus in der Initiative - alle Arbeit, auch die einfachste, hat einen Initiativanteil. Die Frage, ob Initiative in der Welt leben kann, ist nicht nur die Frage nach dem Initiativrecht des Einzelnen, sondern zugleich diejenige nach dem Initiativbedarf der Welt: Die Welt entwickelt sich nicht vorwärts ohne die Initiative, der soziale Organismus lebt von individuellen Fähigkeiten und individueller Initiative.

Warenstrom und Geldstrom

Wenn wir versuchen, das Einzelunternehmen im Ganzen der Sozialität zu begreifen, so ergibt sich das Bild einer Wertschöpfungskette, die bei der Urproduktion beginnt und sich über verschiedene Stufen des Transports, der Verarbeitung und des Handels bis zum Endverbraucher erstreckt. Sie wird von Unternehmen gebildet, zwischen denen über den Preis Werte abgerechnet werden. Dem zum Endverbraucher fließenden Warenstrom fließt ein Geldstrom entgegen. Was im Unternehmen produziert wird, dient nicht der Selbstversorgung, sondern geht prinzipiell an "die anderen", dafür fließt im Gegenstrom Geld an das Unternehmen. Nach Abzug des Voreinsatzes ergibt sich die Wertschöpfung des Unternehmens. Aus diesem Ertrag werden u.a. die Einkommen bezahlt. (Daß wir heute Löhne als "Kosten" behandeln und nicht als Ertragsteil wirkt hier allerdings kaschierend und verzerrend.) Daß das Unternehmen Schulden macht, ist zunächst der Ausdruck dafür, daß die Initiative die vorhandenen Geldmittel übersteigt. So braucht der Unternehmer denjenigen, der über mehr Geld als Initiative verfügt (den typischen "Rentner" z.B.). Dieses Geld fließt als Leihgeld zum Initiativträger.

Der Geldstrom ist die Bewußtseinsseite des Wirtschaftsprozesses, denn durch ihren Geldausdruck werden wirtschaftliche Leistungen vergleichbar, abrechenbar. Das in das Unternehmen fließende Geld geht, wie bereits gesagt, an Vorlieferanten und Mitarbeiter wird in diesem Sinne "verzehrt". Ein Teil bleibt als "Saatgut" und steht der Entwicklung zur Verfügung (die eigentliche "Kapitalbildung").

Es ist eine wichtige Denkübung, sich klarzumachen, daß alles Geld sich letztlich in Einkommen auflösen muß: Thema der Wirtschaft ist die Einkommensbildung. (Gerade deshalb ist die Vorstellung, Löhne seien als Kosten eine bloße Belastung der Wirtschaft, so katastrophal.)

Im jeweiligen Preis wird also eine Entscheidung über die Lebenslage der am Wirtschaftsgeschehen beteiligten Menschen getroffen. Preisbildung ist die erste Stufe der Einkommensbildung. Die Einkommensbildung zwischen den Mitarbeitern eines Unternehmens (von der R. Steiner sagt, korrekterweise sei sie als vertragliches Teilungsverhältnis in bezug auf das gemeinsam Erwirtschaftete zu behandeln) stellt lediglich das "Feintuning" (Hardorp) dar.

Die Preisverhältnisse zu verstehen, heißt ein Verständnis für Lebenslagen zu entwickeln. Von daher ist auch R. Steiners Aussage zu nehmen, "Ware" sei nur durch Imagination verstehbar. Wenn man nur auf die dinglichen Eigenschaften der Güter schaut, hat man ihr eigentliches "Ware-Sein" eben noch gar nicht im Blick. Dieses zu verstehen, heißt, eine Summe von Lebensbeziehungen imaginativ zu erfassen. (Wo wir dies tun, imaginieren wir bereits, oft ohne uns dies bewußt zu machen.)

Im Zeitalter der Bewußtseinsseele kommt es immer mehr darauf an, die wirtschaftlichen Prozesse - und das heißt vor allem den zum Warenstrom gegenläufigen Geldstrom - mit Bewußtsein zu durchdringen. Wir müssen erkennen, daß sich in der Preisbildung Fragen der Lebenslage der Wirtschaftspartner entscheiden - und damit auch Fragen der für die Erbringung von Leistungen jeweils notwendigen Bedingungen. Die Durchdringung kann nicht durch das Einze

lurteil geleistet werden, sondern nur durch ein Zusammenfließen der Urteilskraft wirtschaftlich sachkompetenter Menschen, durch "Assoziieren". Die Bildung von Assoziationen stellt dem Wesen nach ein Verfahren dar, Urteile zu bilden, die auf der Sacherfahrung der beteiligten Wirtschaftspartner beruhen, um auf dieser Grundlage zu sozialökonomisch sinnvollen Entschlüssen in bezug auf die Preisbildung zu kommen.

Wie werden heute Steuern erhoben?

Was läßt sich aus diesen Überlegungen für die Steuerreformfrage gewinnen?

Die heutige Gewinnbesteuerung greift zwischen den Gliedern der Wertschöpfungskette. Die Mehrwertsteuer dagegen entsteht erst am Ende der Kette als Steueraufkommen für den Staat, auf den Zwischenstufen wird sie durch die Rückerstattung als Vorsteuer (das Unternehmen rechnet die an andere Unternehmen verausgabte Mehrwertsteuer gegen die von ihm selbst vereinnahmte auf) jeweils zurückgenommen. Während die klassischen "indirekten" Steuern an den wahrnehmbaren Einzelvorgang anknüpfen (Grunderwerbssteuer, KFZ-Steuer usw.), während die Gewinnbesteuerung beim Einzelunternehmen greift, wirkt die Mehrwertsteuer anders: Man könnte sie im Grunde genommen gleich nur beim Konsumenten erheben und die Vorlieferanten steuerfrei lassen. Daß es anders praktiziert wird, hat rein pragmatische Gründe, beispielsweise den einer besseren Kontrolle. In der Mehrwertsteuer als Nettoumsatzsteuer, wie sie 1968 eingeführt wurde, haben wir damit erstmalig eine Steuerart, die die Steuerpflicht an einen gesamtgesellschaftlichen Tatbestand knüpft, da sie eine allgemeine Verbrauchsbesteuerung darstellt. - Die vor 1968 geltende Bruttoumsatzsteuer oder Allphasenumsatzsteuer stellte eine endgültige Belastung der Unternehmen auf jeder Stufe dar. Sie wirkte wettbewerbsverzerrend, weil Unternehmen mit großer Produktionstiefe (das Standardbeispiel ist "Salamander") weniger belastet wurden.

Die Mehrwertsteuer setzt dagegen beim Endverbrauch an. Gegen eine solche Verbrauchsbesteuerung generell oder gegen die Anhebung der Verbrauchssteuern hört man immer wieder das Argument, hier werde vor allem der kleine Mann getroffen, die reichen Konzerne blieben ungeschoren. Das klingt logisch und sozial, ist aber nichts als Augenwischerei.

Faktisch ist alle Besteuerung Verbrauchsbesteuerung, heute ist dies nur verschleiert

Warum? Jedes Unternehmen kalkuliert notwendigerweise seine steuerliche Belastung in die Preise ein. D.h. es findet sowieso eine Abwälzung der gesamten Steuerlast auf den Konsumenten statt, weil sie im Warenwert jeweils enthalten ist. Man sieht diese Überwälzung nur nicht! (Nur wenn der letzte Unternehmer auf der Ware sitzenbliebt, zahlt er, und nicht der Konsument.) Der Verbraucher bezahlt also auch heute schon die Körperschaftssteuer. Insofern ist die Forderung nach Abschöpfung der Konzerne eine Milchmädchenrechnung. Über den Preis wird im übrigen heute der Kleinverdiener weit mehr abgeschöpft, als es durch den Eingangssteuersatz der Einkommensteuer deutlich wird. Die Staffelung von Mehrwertsteuersätzen in der Richtung der von R. Steiner vorgeschlagenen geringeren Besteuerung lebensnotwendiger Güter würde dagegen eine effektive Entlastung der Geringverdiener darstellen.

Es wird auch zu wenig bedacht, daß Unternehmensgewinne dem Wesen nach keine persönlichen Einkommen darstellen. Wenn dieses Wesen heute nicht so zur Erscheinung kommt, dann ist dies nicht primär das Ergebnis des Steuersystems, sondern viel mehr unseres in vielerlei Hinsicht antiquierten Eigentumsrechts, das den Kapitalgeber als einzigen Eigentümer behandelt, der über Unternehmen oder Unternehmensanteile als über verkäufliche Vermögenswerte verfügt. Der Ansatz zur Veränderung liegt hier beim Eigentumsrecht.

Durch die heutige Art der Steuererhebung wird vom Wesentlichen abgelenkt: Daß jede Besteuerung letztlich Verbrauchsbesteuerung ist, wird verschleiert. Durch diese Verschleierung wird aber auch die Frage nach einer sinnvollen und gerechten Gestaltung dieser Verbrauchsbesteuerung unbeantwortbar. Durch die bunte Vielfalt der Steuerarten wird das Steuersystem undurchschaubar, die effektive Belastung ist nicht transparent. Das ist gut für alle, die im Trüben fischen wollen, schlecht für diejenigen, die zahlen müssen. Die Mehrwertsteuer dagegen ist transparent: Man sieht unmittelbar, welchen Anteil an den geschaffenen Werten der Staat für sich in Anspruch nimmt. Der Besteuerungsvorgang wird durchschaubar als Teilungsvorgang der Wertschöpfung, der damit durch die gesellschaftlichen Verbände gestaltbar bzw. im demokratischen Prozeß kontrollierbar wird. Wenn die heute vorhandene steuerliche Gesamtbelastung im Mehrwertsteuersatz offen zur Erscheinung kommen würde, wäre die Akzeptanz durch die Mehrheit der Bürger natürlich in Frage gestellt. Es würde offen darüber diskutiert werden müssen, wie hoch der Anteil des Staates am Sozialprodukt sein soll. Damit verbunden würde auch mehr Klarheit in bezug auf die Frage entstehen können, was staatlich/öffentlich und was durch die Bürger unmittelbar selbst finanziert werden soll.

Man sieht an dieser Stelle auch, daß vermeintlich äußerst radikale Vorschläge wie der von Gunnar Uldall nicht an die Wurzel des Problems gehen, sondern im Grunde nur Reparaturen am Bestehenden vorsehen.

Konsequente Verbrauchsbesteuerung: Hilfe für assoziative Preisbildung?

Wenn der Steueranteil in den Preisen klar erkennbar wäre, würde damit eine assoziative Preisbildung erheblich erleichtert, während heute durch das Steuersystem die wirklichen Lebenslagerelationen in den Preisen undurchsichtig werden.

Damit würde die Verbrauchsbesteuerung eine Hilfe für ein sachgerechtes Herangehen an die Kardinalfragen des heutigen Wirtschaftslebens darstellen. Denn Wirtschaft ist nicht wesenhaft - wie die marktwirtschaftliche Dogmatik behauptet - der Tummelplatz der Egoismen, sondern vielmehr die Organisation des Füreinander-Tätigseins. Welche Lebenslage billigen wir uns anhand des Verfügbaren gegenseitig zu? - Diese Frage muß im Wirtschaftsleben beantwortet werden. Wenn man in diese Richtung geht, trennen sich Arbeit und Einkommen: Arbeit leistet man, weil man eine Aufgabe sieht. Wer etwas leistet, kann darauf vertrauen, daß die anderen ihn erhalten werden, weil sie nicht auf ihn verzichten können. Das ist in Kurzfassung der Inhalt des von Rudolf Steiner dargestellten "Sozialen Hauptgesetzes". Als Füreinander-Tätigsein in der Arbeitsteilung ist Wirtschaft der Ort, wo Brüderlichkeit leben muß, nicht als moralische, sondern als ökonomische Forderung. Daß wir für einander tätig sind, ist in der Fremdversorgungswirtschaft ein Faktum und kein moralisches Postulat. Die Frage an uns ist nur die, welche Folgerungen wir aus diesem Faktum ziehen, in welchem Maße wir es bei den Einrichtungen, die wir in der Wirtschaft treffen, berücksichtigen wollen. So betrachtet ist die heutige Krise des Sozialstaats eine Einstiegsmöglichkeit in die Diskussion ganz prinzipieller Fragen der sozialen Entwicklung.

Allerdings wird man bedenken müssen, daß die Einsicht in die Vorteile der Konsumbesteuerung die andere Einsicht in die Notwendigkeit assoziativen Wirtschaftens nicht automatisch nach sich zieht. Der Gedanke der Konsumbesteuerung findet in der Finanzwissenschaft und in Unternehmerkreisen heute vor allem deswegen ein Echo, weil man im Geiste die "Entlastung der Untemehmen" vor sich sieht.

So richtig es ist, daß der Übergang zur Konsumbesteuerung den Übergang zur assoziativen Preisbildung erleichtern könnte, so darf hier doch nicht von einem Automatismus ausgegangen werden. Solange wir in traditionellen marktwirtschaftlichen Kategorien denken, bleibt es allein der Konkurrenz überlassen, dafür zu sorgen, daß Unternehmen Kostenentlastungen tatsächlich im Preis an den Endverbraucher weitergeben. Ob dies ausreicht, darf mit guten Gründen bezweifelt werden. Auch die Frage, wie Verwerfungen durch eine drastische Änderung des Preisgefüges infolge des Übergangs zur Konsumbesteuerung bewältigt werden können, weist auf die Notwendigkeit hin, im gleichen Maße, in dem man für den Konsumsteuergedanken wirkt, darauf hinzuwirken, daß assoziative Vernunft in die Preisbildung hineinkommt.

Diese Fragen ergeben sich bei vertiefter Beschäftigung mit dem Problem. Bei dem Seminar konnten sie schon aus Zeitgründen nicht ausführlich diskutiert werden. Es handelt sich im Grunde genommen um Fragen, die sich bei allen Bemühungen ergeben, Veränderungen an einem bestimmten Punkt im gesellschaftlichen Leben zu erreichen, ohne dieses damit schon in seiner Ganzheit verändern zu können. Immer gibt es hier die beiden Gefahren: das Ganze aus dem Blick zu verlieren oder in den Bemühungen um punktuelle Veränderung nachzulassen, weil sie "ja doch nur punktuell wirken". Der richtige Weg - den auch Hardorp beschritt, indem er assoziatives Wirtschaften und Konsumbesteuerung systematisch aufeinander bezog - besteht darin, Veränderungen in Teilbereichen im Blick auf ihre ganzheitliche soziale Erneuerung fördernde Dynamik anzugehen.

Ausgestaltungsmöglichkeiten der Verbrauchsbesteuerung

Bis jetzt wurde im wesentlichen über die Mehrwertsteuer gesprochen. Sie ist eine Möglichkeit, ausgehend vom Bestehenden, das Steuersystem weiterzuentwickeln.

Eine Möglichkeit, die Sozialverträglichkeit zu steigern, besteht dabei, wie schon gesagt, in der Staffelung der Steuersätze, wobei lebensnotwendige Güter am geringsten besteuert würden. Die Staffel 7% und 15% gibt es in der BRD ja derzeit schon, einige Länder differenzieren hier noch stärker, einige EU-Staaten haben z.B. fünf Steuersätze.

Der politische Widerstand gegen die Abstützung der gesamten Steuererhebung auf die Mehrwertsteuer ist allerdings erheblich. Auch kann ein System unterschiedlicher Mehrwertsteuersätze etwa für die Umbruchländer Osteuropas, die vor der Aufgabe der Schaffung eines Steuersystems stehen oder standen, Komplikationen mit sich bringen.32 Aus solchen pragmatischen Gesichtspunkten wird von Finanzwissenschaftlern, die sich für das Konsumsteuerprinzip einsetzen, ein Kompromiß gesucht, eine Art der Kombination von Einkommen- und Umsatzsteuer, mit dem ein Teil der Konsumsteuer mit der Technik der Einkommensteuer erhoben wird. Solche Vorschläge wurden z.B. vom sogenannten Kronberger Kreis gemacht. Sie sehen im Prinzip vor, bei der Steuererklärung alles Gesparte abzusetzen und alles Entsparte (also Konsumierte) zuzusetzen (wobei die Sozialverträglichkeit weiterhin über die Progression hergestellt würde). Das Sparen würde also aus der Steuerpflicht herausgenommen.

Dabei entsteht allerdings der Einwand, daß "Sparen" ja heute nicht meint, daß Geld auf die hohe Kante gelegt oder in den Strumpf gesteckt, sondern vielmehr - gewinnträchtig angelegt wird - u.U. nicht nur mit Zins, sondern auch mit Zinseszins. Nun könnte man natürlich argumentieren, daß die auf diese Weise zustandekommenden Vermögensballungen für den Vermögenden erst zum realen Vorteil werden, wenn er das Gewonnene wieder ausgibt. Es ist jedoch die Frage, ob diese Antwort ausreicht. R. Steiner äußerte sich mehrfach dahingehend, daß Geldanlagen als Ausgaben zu betrachten seien (siehe die Textauszüge aus den Dornacher Januar-Gesprächen 1919 und aus dem Vortragszyklus "Soziale Zukunft"). (Es kann dies als Hinweis auf das Abzinsungsproblem des Geldes verstanden werden. 33 ) Dieses Problem wurde bei dem Seminar zwar angesprochen, es besteht aber wohl weiterhin Klärungsbedarf.

Rudolf Steiner: Soziale Zukunft (Zürich 1919)

(GA 332a, Dornach 1977)

"Es denkt heute noch keiner von denen, die da glauben, von dem wirklichen Leben etwas zu verstehen, daran, daß es nicht einen großen Fortschritt bedeute, wenn man von allen möglichen indirekten Steuern oder sonstigen Einnahmen des Staates übergehe zu der sogenannten Einkommensteuer, insbesondere zu der steigenden Einkommensteuer. Es denkt heute jeder, es sei selbstverständlich das Gerechte, das Einkommen zu besteuern. Und doch, so paradox es für den heutigen Menschen klingt, dieser Gedanke, daß man die gerechte Besteuerung durch die Besteuerung des Einkommens erreichen könne, rührt nur von der Täuschung her, die die Geldwirtschaft gebracht hat.

Geld nimmt man ein. Mit Geld wirtschaftet man. Durch das Geld befreit man sich von der Gediegenheit des produktiven Prozesses selbst. Man abstrahiert gewissermaßen das Geld im Wirtschaftsprozesse, wie man im Gedankenprozeß die Gedanken abstrahiert. Aber geradesowenig wie man aus abstrakten Gedanken irgendwelche wirklichen Vorstellungen und Empfindungen hervorzaubern kann, so kann man aus dem Gelde etwas Wirkliches hervorzaubern, wenn man übersieht, daß das Geld bloß ein Zeichen ist für Güter, die produziert werden, daß das Geld gewissermaßen bloß eine Art Buchhaltung ist, eine fließende Buchhaltung, daß jedes Geldzeichen stehen muß für irgendein Gut.

Auch darüber soll noch im genaueren in den folgenden Tagen gesprochen werden. Heute aber muß gesagt werden, daß eine Zeit, die nur sieht, wie das Geld zum selbständigen Wirtschaftsobjekt wird, daß eine solche Zeit in den Geldeinnahmen dasjenige sehen muß, was man vor allen Dingen besteuern soll. Aber damit macht man sich ja als der Besteuernde mitschuldig an der abstrakten Geldwirtschaft! Man besteuert, was eigentlich kein wirkliches Gut ist, sondern nur Zeichen für ein Gut. Man arbeitet mit etwas Wirtschaftlich-Abstraktem. Geld wird erst zu einem Wirklichen, wenn es ausgegeben wird. Da tritt es über in den Wirtschaftsprozeß, gleichgültig, ob ich es für mein Vergnügen oder für meine leiblichen und geistigen Bedürfnisse ausgebe, oder ob ich es in einer Bank anlege, so daß es da für den wirtschaftlichen Prozeß verwendet wird. Wenn ich es in einer Bank anlege, so ist es eine Art von Ausgabe, die ich mache - das ist natürlich festzuhalten. Aber Geld wird in dem Augenblicke zu etwas Realem im Wirtschaftsprozesse, wo es sich von meinem Besitze ablöst, in den Wirtschaftsprozeß übergeht. Die Menschen brauchten ja auch nur eines zu bedenken: Es nützt dem Menschen gar nichts, wenn er viel einnimmt. Wenn er die große Einnahme in den Strohsack legt, so mag er sie haben; das nützt ihm gar nichts im Wirtschaftsprozeß. Den Menschen nützt nur die Möglichkeit, viel ausgeben zu können.

Und für das öffentliche Leben, für das wirkliche produktive Leben ist das Zeichen für viele Einnahmen eben, daß man viel ausgeben kann. Daher muß man, wenn man im Steuersystem nicht etwas schaffen will, was parasitär am Wirtschaftsprozesse ist, sondern wenn man etwas schaffen will, was eine wirkliche Hingabe des Wirtschaftsprozesses an die Allgemeinheit ist, das Kapital in dem Augenblicke versteuern, in dem es in den Wirtschaftsprozeß übergeführt wird. Und das Sonderbare stellt sich heraus, daß die Einnahmesteuer verwandelt werden muß in eine Ausgabensteuer - die ich bitte, nicht zu verwechseln mit indirekter Steuer. Indirekte Steuern treten in der Gegenwart oftmals als Wünsche gewisser Regierender nur aus dem Grunde hervor, weil man an den direkten Steuern, an den Einnahmesteuern gewöhnlich nicht genug hat. Nicht um indirekte Steuern und nicht um direkte Steuern handelt es sich, indem hier von Ausgabensteuer gesprochen wird, sondern darum handelt es sich, daß dasjenige, was ich erworben habe, in dem Momente, wo es übergeht in den Wirtschaftsprozeß, wo es produktiv wird, auch besteuert wird.

Gerade an dem Steuerbeispiel sieht man, wie ein Umlernen und Umdenken notwendig ist. Der Glaube, daß es auf eine Einnahmesteuer vorzugsweise ankomme, ist eine Begleiterscheinung jenes Geldsystems, das in der modernen Zivilisation seit der Renaissance und Reformation heraufgekommen ist. Wenn man das Wirtschaftsleben auf seine eigene Basis stellt, dann wird es sich nur darum handeln können, daß das, was wirklich wirtschaftet, was darinnensteckt im Produktionsprozeß, die Mittel zur Arbeit desjenigen hergibt, was der Gemeinschaft notwendig ist. Dann wird es sich handeln um eine Ausgabensteuer, niemals um eine Einkommensteuer."

(Aus dem Vortrag vom 25. Oktober 1919)

Weitere Vorzüge der Verbrauchsbesteuerung

Ein Übergang zum Konsumsteuerprinzip - über die Mehrwertsteuer - bringt eine enorme Vereinfachung der Steuererhebung. Sie ist ein außerordentlich flexibles und konjunkturgerechtes Instrument. Während Veränderungen der Einkommensteuer erst nach Jahren Wirkung zeigen, wirkt eine Anhebung oder Senkung der Mehrwertsteuer unmittelbar und sofort. Während die Einkommensteuer bei Inflation steigt, ohne daß das Realeinkommen wächst (weil in der Progression ein höherer Satz greift), wirkt die Mehrwertsteuer unabhängig vom Geldwert.

Die Mehrwertsteuer wirkt wettbewerbsneutral. Da im Prinzip der Mehrwertsteuersatz des Verbrauchslandes maßgeblich ist, ergibt sich für die Exportwirtschaft kein Wettbewerbsnachteil, während Importe

den Bedingungen des Inlands unterliegen. Insofern gibt es auch an dieser Stelle keinen Zwang zur Steuerharmonisierung (die natürlich aus anderen Gründen dennoch Sinn machen kann).

Die Mehrwertsteuer wirkt schenkungsfreundlich. Da die Besteuerung nur bei der Ausgabe greift, wird das Versteuerungsproblem an den Beschenkten (z.B. eine Einrichtung des Kulturlebens) übertragen. (Bei einer pragmatischen Kombinationslösung zwischen Mehrwertund Einkommensteuer sollte nicht nur das Gesparte, sondern auch das Geschenkte absetzbar sein!).

In bezug auf die Unternehmen ergibt sich ein größerer Gestaltungsspielraum, der Trend zur Arbeitsplatzverlagerung, der heute das Steueraufkommen immer wieder reduziert, würde gebremst. Initiative würde gefördert.

Dies entspricht dem Arbeitsansatz der Dreigliederung, den sozialen Organismus durchlässig zu machen für Initiative, Initiativentfaltung in der Gesellschaft in keiner Form zu bremsen. Die Nominaleinkommensbesteuerung dagegen stellt eine Behinderung der Initiativentfaltung dar und führt damit zum Brachliegen menschlicher Entwicklungspotentiale auf der Erde.

Letztlich geht es um Menschenbild-Fragen

Es geht also letztlich, so machte Hardorp deutlich, um eine Frage der Anschauung des Menschen, um das Verständnis der Ich-Entwicklung.

Der Mensch wurzelt mit seinem höheren Ich, das die wirkliche Quelle seiner seelischen Aktivitäten darstellt, in einer geistigen (Werde-) Welt. Von dieser Welt ist der Alltagsmensch aber durch eine Bewußtseinsschwelle getrennt - sein höheres Ich ist für ihn unbewußt (oder, wenn man will, überbewußt).

An der Sinneswelt wacht der Mensch auf, entwickelt er sein gewöhnliches Ich-Bewußtsein. Dieses gewordene Ich, dieses Alltags-Ich, hält man für den Verursacher seiner Handlungen, deren tiefere Quelle man nicht gewahrt. Dieses gewordene, unverborgene Ich ist es, das die Nationalökonomie allein kennt und anerkennt. Dieses Ich hängt nun in der Tat an seinem Vorteil ("Selbstinteresse"), es meldet seinen Einkommensbedarf an. Das höhere, verborgene Ich ist ein "selbsteigenes und zugleich selbstloses" Wesens (R. Steiner). Dieses Ich braucht nicht ein Einkommen, sondern es braucht Arbeit als Möglichkeit, durch Tätigkeit zugleich die Welt und sich selbst voranzubringen. Es ist ganz Tätigkeit - und braucht deshalb keine "Erholungspausen". Es ist jenes Ich, über das F. Rückert dichtete: "Vor jedem steht ein Bild / des, das er werden soll. / Solang er dies nicht ist, / ist nicht sein Friede voll." Dieses Ich ist es, das zwischen Tod und neuer Geburt die Erfahrungen des Lebens in die Fähigkeiten der neuen Inkarnation umschmilzt.

Die soziale Welt, in der das Ich lebt, liegt zwischen der geistigen und der sinnlichen. Das Leben und die Verantwortung in der sozialen Welt stellt eine Ausweitung menschlicher Entwicklung dar. Soziales Miteinander verlangt das Erwachen am Geistig-Seelischen des anderen Menschen. Die Antworten auf die sozialen Fragen können nicht aus der Sinneswelt entnommen werden, sondern verlangen überall den Übergang von der sinnlichen zur denkenden Beobachtung. So ist die soziale Welt eine Schule der Höherentwicklung menschlichen Bewußtseins und menschlicher Fähigkeiten.

Auch die Steuerfrage ist letzlich nur aus dieser Perspektive verständlich und lösbar.

Schriften und Aufsätze von Benediktus Hardorp

Mehrwertsteuer und Steuerreform im Gemeinsamen Markt. In: Betriebs-Berater, Zeitschrift für Recht und Wirtschaft. Heft 5/1967. Verbrauchsbesteuerung als Orientierungspunkt der Steuerpolitik? In: Die Wirtschaftsprüfung. Jg. 35, Nr. 23/24, Dez. 1984. Systemwandel im Steuerrecht? Gesellschaftliche Bedingungen und Entwicklungslinien auf dem Wege zu einem allgemeinen Verbrauchssteuersystem. In: Betriebs-Berater, Zeitschrift für Recht und Wirtschaft. Beilage 13/1985 zu Heft 30/1985. Die steuerliche Förderung gemeinnütziger Zwecke - ein negatives Steuerrecht? In: BetriebsBerater, Zeitschrift für Recht und Wirtschaft. Heft 35/36, 20./30. 12. 1986. Vom Wesen der Umsatzsteuer und deren innerem Formwiderspruch. Eine Warnung vor falsch angelegter Steuerharmonisierung. Umsatzsteuer-Rundschau, 35. Jg., Heft 7, 8.7. 1986. Leistungsbeitrag oder Leistungsentnahme: Was ist zu besteuern? Zur Kardinalfrage unseres Steuerwesens. In: Bausteine - Zeitschrift für theoretische Ökonomie und soziale Frage, He ft 1/ 1988, S. 61 f. Konsumsteuer und Gesellschaft. Zum erforderlichen steuersystematischen Bewußtseinswandel. Manuskriptdruck. Anthroposophie und Steuerreform. In: Die Drei, Heft 9/1988. Konsumsteuer und Gesellschaft. In: M. Rose (Hg.): Konsumorientierte Neuordnung des Steuersystems. Berlin/Heidelberg 1991. Lebensorientierung durch Buchführung? Zum 500-Jahre-Jubiläum der doppelten Buchhaltung. Die Drei, Heft 12/1994. Anthroposophie und Dreigliederung. Das soziale Leben als Entwicklungsfeld des Menschen. Anregungen zur anthroposophischen Arbeit 15. Stuttgart 1986.

Anmerkungen

1 Zitiert nach: Uwe Schultz (Hrsg.): Mit dem Zehnten fing es an. Eine Kulturgeschichte der Steuer. München 1992, S. 15.
2 Vgl. Schultz, a.a.O., S. 247f
3 Vgl. Hardorp: Anthroposophie und Steuerreform.
4 Schultz, aa.O., S. 23.
5 Quelle: Harenberg-Lexikon der Gegenwart. Aktuell 96. Dortmund 1995, S. 209.
6 Meyers Großes Taschenlexikon in 24 Bänden, 5. Aufl., Bd. 21,S. 125.
7 Harenberg Lexikon, a.a.O., S. 397.
8 Harenberg Lexikon, a.a.O., S. 393.
9 Harenberg Lexikon, a.a.O., S. 464.
10 Hinzu kamen in den 90er Jahren für den deutschen Fiskus bestimmte Vorgaben durch die Rechtsprechung. So erzwang das Urteil des BVG vom 25.9.1992 zur Freistellung des Existenzminimums die Neugestaltung des Einkommensteuertarifs ab 1996. Dabei mußten "Steuerausfälle" in zweistelliger Milliardenhöhe verkraftet werden. (Wobei das Wort "Steuerausfälle" eigentlich ein Unbegriff für erwartete Steuereinnahmen aufgrund einer nicht verfassungsgemäßen Steuerpraxis darstellt.) Während dieses Urteil eine Grenzziehung nach unten darstellte, zog das BVG dann im Sommer 1995 eine weitere Grenze nach oben. In einem Urteil, bei dem es eigentlich um die erbschaftsund vermögenssteuerliche Gleichbehandlung von Immobilien und sonstigem Vermögen ging, wurde zugleich festgeschrieben, daß die Steuerbelastung insgesamt 50% nicht überschreiten dürfe, da sonst die Steuer tendenziell konfiskatorisch wirke.
11 Der EU-Vertrag von 1993 sieht die Realisierung der Währungsunion 1997 bis 1999 vor und formuliert die folgenden Aufnahmebedingungen (Konvergenzkriterien): Die Inflationsrate der beteiligten Länder darf höchstens 1,5% über dem Durchschnitt der 3 stabilsten Staaten liegen. Das jährliche Haushaltsdefizit darf 3% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) nicht übersteigen, die staatliche Gesamtverschuldung nicht höher als 60% des BIP sein (das BIP betrug 1994 3,321 Bio. DM, Quelle: Harenberg Lexikon, S. 81). Weiter gefordert ist "Kapitalmarktstabilität": Die Zinsen dürfen nicht mehr als 2 Prozentpunkte über dem Niveau der 3 stabilsten Länder liegen. Als Kriterium der Währungsstabilität wird gefordert, daß die zulässigen Schwankungsgrenzen der Wechselkurse seit 2 Jahren ohne Abwertung der jeweiligen Landeswährung eingehalten worden sein müssen. Die Währungsunion kann ab 1.1.1999 für eine Minderheit der EU-Staaten in Kraft treten, falls nur diese Minderheit die Konvergenzkriterien erfüllt.
12 Damit soll dann bei Grundvermögen von den Verkehrs- bzw. Ertragswerten (bei Anhebung der Freibeträge) ausgegangen und damit dem BVG-Urteil von 1995 Genüge getan werden.
13 Die große Auseinandersetzung - inzwischen auch innerhalb der Koalition - findet um die Frage statt, wie radikal dieser Umbau sein soll - und wieweit dabei das bisherige Verständnis von "sozialer" Marktwirtschaft in Frage gestellt werden soll, ob beispielsweise radikale "Deregulierung" und Flexibilisierung der Arbeitszeiten sowie Niedriglöhne wie in den USA die Lösung sein könnte. Davon erhofft man sich ein "Jobwunder", wie es in der Zeit der Clinton-Regierung mit der Schaffung von 8,9 Millionen zusätzlichen Arbeitsplätzen gelang. Daß diese Entwicklung mit der Deklassierung großer Teile der Bevölkerung verbunden ist, wird dabei entweder nicht bemerkt oder billigend in Kauf genommen. (Im Durchschnitt verfügen 60% aller amerikanischen Haushalte heute über ein geringeres Realeinkommen als 1973.) Vgl.: "Jobwunder in Amerika", Der Spiegel 15/1996 v. 8.4.96.
14 Gunnar Uldall: Die Steuerwende. Eine neue Einkommensteuer, einfach und gerecht. München 1996. Uldall, Jahrgang 1940, ist seit 1983 Mitglied des deutschen Bundestages und seit 1996 wirtschaftspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.
15 Uldall, S. 10.
16 Adenauers "kleine Steuerreform" von 1953 brachte die Unterscheidung zwischen ausgeschütteten und einbehaltenen Gewinnen, für erstere wurde der Körperschaftssteuersatz von 60 auf 30 Prozent gesenkt (einbehaltene Gewinne 45%).
17 Uldall, S. 19f.
18 Uldall, S. 20.
19 Argumente für ein konsumbasiertes Einkommensteuersystem. In: Baron, S., Handschuh, K.: Wege aus dem Steuerchaos. Aktueller Stand der steuerpolitischen Diskussion in Deutschland. Stuttgart 1996. S. 67.
20 Uldall, S. 39.
21 46% aller Freiberufler weisen jährlich hohe Verluste von bis zu mehreren 100 TDM aus bzw. haben geringe positive Einkünfte von bis zu 10.000,- (Quelle "lfo", nach Uldall, S. 49).
22 Diese Forderung spielte in einem "Spiegel"-Interview mit Peter Bareis eine Rolle, in dem sich folgender Passus findet: Spiegel: "Das träfe hauptsächlich die Wohlhabenden. Dafür haben Sie keine Prügel bekommen." Bareis: "Das hat keiner gelesen." Spiegel: "Vielleicht sind die Betroffenen auch nur sicher, daß diese Idee nie ins Gesetz kommt?" Bareis: "Könnte sein." ("Der Spiegel", Nr. 26, 24.6.1996).
23 "Der Spiegel", Nr. 26, 24.6.96.
24 Uldall, S. 5 1.
25 Das Standortsicherungsgesetz von 1993 hat diesen Trend nicht brechen können.
26 Man schätzt, daß das Pro-Kopf-Steueraufkommen der deutschen Steuerzahler um 1/3 niedriger ist als in den USA, wo auf der anderen Seite die Spitzensteuersätze um etwa 1/3 niedriger liegen als bei uns.
27 Uldall, S. 72.
28 Vgl. hierzu auch den Rundbrief 2/1995.
29 Vgl. "Koalition ringt um Details der Steuerreform". Stuttgarter Zeitung, 9.12.96, S. 1.
30 Vgl. Stuttgarter Zeitung, 9.12.96.
31 Auch eine autonome Schule wie die Waldorfschule wäre so betrachtet als Unternehmen aufzufassen. Vgl.: Benediktus Hardorp. Schule als autonomes Unternehmen. In: Erziehungskunst. Heft 6, Juni 1996, S. 642 ff.
32 Im Januar 1991 referierten Dr. B. Hardorp und Götz W. Werner zum Thema "Reform des polnischen Steuerrechts" in Warschau vor dem Wirtschafts- und Finanzausschuß des Sejm (des polnischen Parlaments). B. Hardorp war ebenfalls beteiligt an einer deutschlettischen Finanzkonferenz zur Neugestaltung des lettischen Steuersystems im November 1991 in Riga.
33 Vgl. Hierzu z.B.: Udo Herrmannstorfer: Zur sozialorganischen Bewältigung des Geldwesens. In: Ders.: Scheinmarktwirschaft. Die Unverkäuflichkeit von Arbeit, Boden und Kapital. Stuttgart 1991.


Quelle: Rundbrief Soziale Dreigliederung, 12/1996, Nachdruck mit freundlicher Genehmigung des Autors