Bund für Dreigliederung des sozialen Organismus
Leitgedanken für die Bundesarbeit Nr. 1

01.08.1920

Bund für Dreigliederung des sozialen Organismus

Stuttgart, August 1920

Verehrte Freunde!

Nachdem der Unterzeichnete die Leitung des Bundes für Dreigliederung übernommen hat, bittet er alle Freunde und Mitarbeiter um ihre freundliche Unterstützung in seinen Bemühungen, der Welt nach Kräften die Größe und universelle Bedeutung der Dreigliederung des sozialen Organismus beizubringen. Ihm wird vor allem daran liegen, einen möglichst intensiven Zusammenhang zwischen den Ortsgruppen und der Stuttgarter Bundesleitung herzustellen, der aus dem Bunde eine geistig wirklich einheitliche Organisation macht. Damit dieses Streben nun anknüpfen könne an die bisherigen Leistungen im Bunde für Dreigliederung des sozialen Organismus, erscheint eine Sammlung dessen, was die Ortsgruppen erarbeitet haben, erforderlich. Es liegt bisher kein Überblick über die Ortsgruppenarbeit vor; deshalb darf im Anschluß an wiederholte Aufforderungen in den Rundschreiben an die Ortsgruppenleiter und ihre Mitarbeiter die Bitte gerichtet werden, kurze Darstellungen der bisherigen Arbeit für die Sache einzusenden, die dann nach Möglichkeit in einem unserer Mitteilungsblätter allen Freunden zugänglich gemacht werden sollen. Es würde damit auch eine Zusammenfassung der Bundesarbeit vor der Welt in Angriff genommen werden.

Weiter würde notwendig sein, daß die Ortsgruppen möglichst bald die Winterprogramme aufstellten, damit auch diese zusammengefaßt werden könnten. Eine Zusammenfassung könnte den Freunden unserer Bewegung einen Überblick verschaffen über die Arbeiten der Ortsgruppen und der Welt zeigen, was wir leisten und uns vornehmen. Solche Übersichten über die Leistungen in den verschiedenen Ortsgruppen würden den Ortsgruppen auch für den Redneraustausch geeignete Anhaltspunkte geben können.

Wenn alle Beteiligten die große Aufgabe der Dreigliederung im Auge haben, kann jegliche Vereinsmeierei dabei vermieden werden. Wichtig sind für die Zusammenfassung und die Zukunftsarbeit vor allem solche Bemühungen, die nicht stecken bleiben in den bloßen Umschreibungen der "Kernpunkte" Dr. Rudolf Steiners, sondern versuchen, sich von den Kernpunkten befruchten zu lassen und selbständige soziale Anschauungen auszubilden. Denn die "Kernpunkte" wollen wie alle Werke Steiners genommen werden als Anleitung zu Tatsachensinn, zu genauem Beobachten des Lebens, zur Ausbildung wirklichkeitsgemäßer wissenschaftlicher Methoden, sie wollen aus Kernpunkten Organe werden in den Menschen, die sie in sich aufnehmen, wollen einen neuen Menschen im Menschen schaffen. Erst wenn wir die sozialen Schriften Dr. Steiners in diesem Sinne nehmen, werden wir die Dreigliederungsideen als lebendige Ideen mit Stoßkraft vertreten können, weil sie dann sich mit unserer Innerlichkeit verbunden haben und nicht bloß angelernt sind. Die Außenwelt unterscheidet sehr wohl, wo bloße äußerliche Reproduktionen vorliegen und wo die Ideen aus einer organischen Verarbeitung in individueller Weise entwickelt werden. Solange bloß eine Art Zitatenwesen getrieben wird, werden wir nicht von dem Vorwurf loskommen, Steinerianer, sklavische Anhänger eines Mannes zu sein, dessen innerste Tendenzen, wie wir wenigstens doch wissen sollten, auf die Überwindung alles Anhängertums gehen, das seiner Natur nach auf Unfreiheit beruht. Die "Philosophie der Freiheit" schafft wie alle Werke Steiners nicht bloß theoretische Klarheiten, sondern gibt erfahrungsgemäß auch freimachende Kräfte, die den Menschen zur freien Individualität erziehen und ihn durchaus auf sich selbst stellen, wenn er sich nur unbefangen auf sie einläßt und nicht etwa einen Anhängersinn in sie hineinträgt. Und ins Soziale gewendet, darf man sich nicht als Anhänger Dr. Steiners gebärden, sondern muß als freier Mensch aufzutreten sich bemühen, der in der Lage ist, von seinem Erfahrungsfeld aus auf eigene Weise darzustellen, was in den "Kernpunkten" und den anderen Werken Dr. Rudolf Steiner von seinem Erfahrungsfeld auf seine Weise der Welt geboten hat. Erst dann bekommen Hinweise auf Dr. Steiners Arbeit den Wert und die Begründung für die Welt, die Eindruck machen. Wie wollen wir wohl die Proletarier von der sie auf dem Niveau von Menschenmassen haltenden Führerschaft befreien, wenn wir selber uns als Anhänger und damit als Massenmenschen ohne selbständige freie Fahrt benehmen?

Diese freie Verarbeitung der geisteswissenschaftlichen und sozialen Lebensarbeit Steiners durch uns verschafft ihm erst den welt-geschichtlichen menschlichen Hintergrund, die Mitarbeiter, die seiner wert sind, die er sich wünscht, wie aus der ganzen Anlage seines Lebenswerks hervorgeht, und uns auch die lebendige Kraft, die die soziale Umwelt umbilden kann. Jeder muß an seiner Stelle aus seinen Kräften heraus arbeiten können - und arbeiten wollen: Dienstanweisungen, die der eigenen Mitarbeit überheben, können in der Dreigliederungsarbeit nicht gegeben werden. Wenn die Freunde für Dreigliederung gebeten werden, im Briefverkehr mit Stuttgart z.B. Teilung der Zuschriften nach den einzelnen selbständig arbeitenden Arbeitsbereichen durchzuführen, so ist damit an ihre freie Einsicht in die Notwendigkeit der Organisation appelliert, nicht ein Reglement vorgeschrieben.

Diese Arbeitsbereiche sind:

I. Der Bund für Dreigliederung des sozialen Organismus

- geleitet von Herrn Walter Kühne -,der die allgemeine Propagierung der Ideen übernehmen, den einheitlichen Zusammenhang der Ortsgruppen und Menschen herstellen, die treibende Kraft der ganzen Bewegung darstellen will.

II. Die Zeitung "Dreigliederung des sozialen Organismus"

mit Herrn Ernst Uehli als Schriftleiter. Sie ist herausgewachsen aus den Bestrebungen des Bundes für Dreigliederung als unentbehrliches Organ für das Wirken in die Öffentlichkeit hinein und zur Orientierung im Bunde selbst. An ihre selbständig neben der Bundesleitung stehende Schriftleitung würden alle redaktionellen Zuschriften, Beiträge, Mitteilungen zu richten sein.

Um die Dreigliederungsideen der Öffentlichkeit tatkräftig zuzuführen, ist später zur Unterstützung dieser Ideen das selbständig dastehende Unternehmen "Der Kommende Tag A.G" hervorgegangen, von dessen Abteilungen für die Freunde der Dreigliederung hauptsächlich in Frage kommen der Verlag und die Bank, so daß wir haben:

III. "Der Kommende Tag A.G.", Abteilung Verlag.

Seine Leitung hat Herr Wolfgang Wachsmuth. Der Verlag will Literatur aus dem Gebiete der Geisteswissenschaft und der Dreigliederung des sozialen Organismus herausbringen. Er ist der Verleger und Drucker der Zeitung "Dreigliederung des sozialen Organismus", die Herr Uehli als Schriftleiter redigiert. Das Abonnementswesen ist daher Sache des Verlags.

IV. "Der Kommende Tag A.G.", Abt. Bank

ist für die finanziellen Angelegenheiten zuständig. Es ist die Bank der Bundesleitung, der Schriftleitung und der einzelnen Abteilungen der Gesamtunternehmung "Der Kommende Tag" - also im Besonderen des Verlags.

V. Die Treuhand-Gesellschaft des Goetheanum Dornach m.b.H., Sitz Stuttgart,

geleitet von Herrn Berner, steht unabhängig vom Bund, Zeitung und "Kommenden Tag" da mit ihren in ihrem Namen liegenden Aufgaben. Sie befaßt sich mit der Verwaltung von Vermögen und mit der Raterteilung in Vermögensangelegenheiten.

Gerade dadurch, daß die Freunde des Bundes für Dreigliederung die Bundesleitung mit der Besorgung aller möglichen Wünsche betrauen, wird ihre Aufgabe außerordentlich erschwert und lassen sich die Wünsche nicht immer so schnell erfüllen, wie das bei der Trennung der Schriftstücke möglich wäre. Bei den bisherigen Gepflogenheiten hat die Bundesleitung fast mehr mit dem Weitergeben der mannigfaltigsten Bestellungen und Anfragen zu tun als mit eigentlichen Angelegenheiten der Bundesleitung; sie wird dadurch ihren eigentlichen Aufgaben entzogen. Die Bundesleitung will gewiß in keiner Weise eine Behörde werden gegenüber den Ortsgruppen, kann aber nur bei sachgemäßer und zweckmäßiger Unterstützung ihre Aufgaben für die ganze Bewegung erfüllen.

zu den neuen Aufgaben, die sie sich gestellt hat, gehört neben der Zusammenfassung der Bundesarbeit und im Zusammenhange mit ihr die Anlage eines Archivs, das eine Materialsammlung und Auskunftstelle in Sachen der Dreigliederungsbewegung, ihrer Vertretung und Aufnahme in der Welt darstellen wird. Gerade bei einem solchen allen Mitarbeitern die Arbeit erleichterndes Unternehmen muß sie besonders auf tätige und weitgehende Mithilfe aller Freunde rechnen.

Um die wachsende Arbeit und die neuen Aufgaben bewältigen zu können, sind in den Kreis der Mitarbeiter der Bundesleitung neu eingetreten die Herren Dr.Heyer und Picht.

Die "Leitgedanken für die Bundesarbeit und Mitteilungen der Bundesleitung" wollen ihrem Doppeltitel nach das Organ der Bundes-leitung sein für die Herstellung und Bewahrung der Einheitlichkeit der ganzen Bundesarbeit - unbeschadet aller besonderen Regsamkeit der Ortsgruppen und Mitarbeiter - und für die organisatorische Zusammenfassung dessen, was aus dem Zusammenfluß der Mitteilungen und Anfragen bei der Bundesleitung sich ergibt. Sie würden also auch den Lebensbedürfnissen der Ortsgruppen und Mitarbeiter in unserer Sache als Organ dienen und durch diesen synthetischen Charakter die lebendige Fortbildung des Ganzen zu gewährleisten trachten. Sie werden nur nach Bedarf und Notwendigkeit erscheinen können, weil sie in engstem Zusammen-hange stehen müssen mit der sich verändernden Weltlage, deren immer neue wirklichkeitsgemäße Erfassung die Grundlage dafür ist, daß überall aus der Situation der wahren Gegenwart heraus in einheitlichem Geiste und gleichgerichteter Stoßkraft gearbeitet werden könne. Die umgestalteten "Mitteilungsblätter" werden Überblick über die mehr feststehende Bundesarbeit geben, werden die Ergebnisse der Gesamtarbeit festzuhalten suchen.

Einer der Anknüpfungspunkte unserer Arbeit an die wahren Kräfte des geschichtlichen Geschehens kann nun für uns sein, daß in diesen Tagen, am 27.August (1920), 150 Jahre seit der Geburt Hegels verflossen sind. Gewiß wird es in dieser etwas stillen Zeit zwischen Sommer- und Winterarbeit nur da und dort möglich sein, bald etwas wie eine Feier des 150.Geburtstages Hegels zu veranstalten, aber die Ortsgruppen können doch jetzt schon die Art ins Auge fassen, in der sie Gelegenheit nehmen würden, Hegels zu gedenken. Für unsere Bewegung ergibt sich das Verhältnis zu Hegel erstens daraus, daß er einer der großen Träger des deutschen Idealismus ist, den aus dem Geiste unserer Zeit auferstehen zu lassen eine unserer Lebensnotwendigkeiten ist. In diesem Sinne kann z.B. auf die Ausführungen Dr. Rudolf Steiners in seinem Buche "Vom Menschenrätsel" über Hegel überhaupt und insbesondere unter der Überschrift "Der deutsche Idealismus als Gedankenanschauung: Hegel" verwiesen werden. Unser Verhältnis zu Hegel ergibt sich zweitens daraus, daß Karl Marx die wissenschaftliche Methode seines Sozialismus, die Dialektik, Hegel verdankt. Diese Tatsache kann man bei Marx` Freund, Friedrich Engels, in der Schrift "Ludwig Feuerbach und der Ausgang der klassischen deutschen Philosophie" mit aller Deutlichkeit ausgesprochen finden, wie gleichfalls die andere, daß Marx im wissenschaftlichen Sozialismus, in der materialistischen Geschichtsauffassung die Antithese zu Hegels Idealismus herausgearbeitet hat. Welche große Bedeutung das Denksystem von Marx für das Proletariat und für die sozialen Krisen unserer Tage hat, hat wohl jeder Freund unserer Bewegung aus dem 1.Kapitel der "Kernpunkte" Rudolf Steiners ersehen, wo das Verhältnis von Dreigliederung des sozialen Organismus zum Marxismus behandelt worden ist. In aller Kürze kann man sagen: Hegel ist die These, Marx die Antithese, Rudolf Steiner die Synthese, d.h. die anthroposophisch orientierte Geisteswissenschaft und die Dreigliederung heben die Einseitigkeiten des Hegelschen Idealismus, der nur "Ideen", die des Marxschen Materialismus, der nur "Materielle Triebkräfte" kennt, auf und führen den Menschen zur Freiheit, zu seiner Individualität und einer ihr entsprechenden sozialen Organisation. Das Große an Hegel im Bewußtsein unserer Zeitgenossen lebendig zu machen, ist aus diesen Zusammenhängen heraus so recht allein die Geisteswissenschaft befähigt - und deshalb darf es wohl als eine geistige Verpflichtung angesehen werden, wenn die aus der Geisteswissenschaft herausgewachsene Dreigliederung Hegels Geist zeitgemäß lebendig weiterbildet und aus der Erfassung seiner Bedeutung Impulse gibt zu weltgeschichtlichem Denken und Handeln. "Die Weltgeschichte ist der Fortschritt im Bewußtsein der Freiheit": dieses Wort Hegels wie viele andere können gerade wie nacherleben, in höherem Stile aus den geistigen Möglichkeiten unserer Zeit weiter leben lassen und verwirklichen. Damit werden wir Hegel den Dank abstatten, den wir ihm schuldig sind.-

Wenn wir Menschen mit solchem welthistorischen Blick und zugleich solcher eindringlichen Geschichtskenntnis, wie Hegel sie hatte, im Sinne der Geisteswissenschaft und Dreigliederung des sozialen Organismus auf die Höhe unserer Zeitimpulse heben wollen, dann bedeutet das auch, daß wir mit Aufmerksamkeit das Material der Geschichte, die Symptome des sozialen Lebens verfolgen müssen. Dazu gerade bedarf die Bundesleitung der intensiven Mitarbeit aller Freunde durch Hinweise auf gute Beobachtungen der Zeit-erscheinungen, Sammlungen symptomatischer Zeichen, alles dessen, was uns dazu helfen kann, beweglich und wirklichkeitsgemäß uns einzustellen. Müßten wir doch aus der wahren Zeitlage heraus die Kraft finden, die Bedeutung solcher im Sinne der Geisteswissenschaft und zur Tragung der Dreiglie-derungsbewegung entstandenen Bestrebungen wie des "Kommenden Tages" und der "Freien Waldorfschule" unseren Freunden und den Zeitgenossen zündend vor die Seele zu stellen, so daß ihr Wille befeuert werde, diese welthistorisch notwendigen und für die Entwicklung der Menschheit unentbehrlichen Bestrebungen nach allen Kräften zu fördern. Diese Unternehmungen sind nicht angelegt bloß für lokale oder partikularistische württembergische Zwecke, wie leider so manche Freunde und Freundesgruppen glauben, sondern sind Angelegenheiten unserer ganzen Dreigliederungsbewegung und des allgemeinen menschlichen Fortschritts. Überhaupt ist der Bund selbst nicht eine Stuttgarter oder Württemberger Angelegenheit, so daß es womöglich nicht auf die Arbeit in den anderen Gebieten Deutschlands ankomme - vielmehr hat er in Stuttgart und Württemberg an Möglichkeiten anknüpfen müssen, um in die Welt treten zu können. Die pessimistische Auffassung mancher Freundesgruppen, daß es auf die Arbeit außerhalb Württembergs gar nicht ankomme, ist durchaus falsch und hemmt die Arbeit des ganzen Bundes. Es sei deshalb auch noch ausdrücklich gegenüber vielen Fragen, Unklarheiten und Sorgen mancher Freunde der Dreigliederung betont, daß die Förderung der Waldorf-Schule in Stuttgart nicht die Bemühungen um ähnliche freie Schulen an anderen Orten ausschließt. Beide Richtungen der Bemühungen müssen im Gegenteil Hand in Hand arbeiten, geht doch die Bewegung gerade auf universelle Erneuerung des Geisteslebens und muß alle Möglichkeiten, die sich bieten und lebensfähig erscheinen, benutzen, um vor die Menschen unserer Zeit ragende Erscheinungen, Tatsachen hinzustellen, die nicht wegge-stritten werden können. Freie Schulen aber liegen ganz besonders im Sinne unserer Zeit, wie die zahlreichen, wenn auch nicht wahrhaft wirklichkeitsgemäßen Bemühungen unserer Zeitgenossen zeigen - und das erstaunliche Wachstum der Freien Waldorf-Schule in Stuttgart, ihr immer weiteres Hinauswachsen über den Charakter einer Schule von Angestellten der Waldorf-Astoria-Gesellschaft, zeigt, wo angefangen werden kann und muß. Es muß daher dem freien Takt, dem lebendigen Gefühl für die Möglichkeiten von freien Schulen in der Art der Waldorfschule überlassen werden, worauf die Freunde in den einzelnen Orten ihre Arbeit jeweilig richten können.

Freilich darf es auch nicht zu einer Verzettelung unserer Kräfte kommen, indem von den Ortsgruppen Schulen propagiert werden, die nicht wahrhaft nach der Art der Waldorf-Schule aufgebaut sind. An dem neuesten Heft der "Sozialen Zukunft" können die Freunde den Geist der Waldorfschule in seiner lebendigen Wirksamkeit studieren. Dieses Heft in weitgehendstem Maße zu propagieren würde daher von größter Bedeutung für die Erneuerung des Geisteslebens, für die Arbeit auf freie Schulen hin und für unsere gesamten Bestrebungen sein.

Für die Aufstellung der Herbst- und Winterprogramme und ihre Durchführung dürften diese prinzipiellen Darlegungen und Hinweise wichtig sein, damit nicht versäumt werde, alle Möglichkeiten zu ergreifen, die sich bieten für Arbeit im Sinne der Erneuerung des Geisteslebens.

Bei diesem Standpunkte versteht es sich von selbst, daß wir jegliche Kompromißlerei völlig vermeiden müssen gerade auf dem Gebiet der Schule, wo so vielerlei heute experimentiert wird von allerlei Bewegungen, Bünden, Vereinen und Einzelnen.

Auf Kompromisse dürfen wir uns überhaupt gar nicht, auch nicht in irgend welchen Gedankenspielereien einlassen; je intensiver wir die Dreigliederungsidee als Ordnungslehre und ordnende Macht - um nur auf diese Seite hin zu weisen - in uns zum Leben bringen, desto weniger wird irgend ein Schwanken nach allerlei Bestrebungen hin eintreten können, die noch nicht losgekommen sind von den Niedergangserscheinungen unserer Zeit, von dem, was zum Untergang des Abendlandes führen würde, wenn nicht aus den Impulsen unserer ganzen Bewegung heraus die Grundlagen zu dem Neuaufbau des gesamten Lebens gelegt würden.

Diese große Aufgabe: Unter Wahrung der historischen Kontinuität Kernpunkte eines neuen sozialen Lebens zu werden müßte doch wohl uns alle zu den höchsten Leistungen anspornen, sind wir doch dadurch von der Geschichte gewürdigt, bewußt, in Freiheit Geschichte universellen Stils zu machen, einen großen Geschichtsfortschritt von uns aus zu bewirken.

Bemerkungen

Von Arfst Wagner

In Heft 40/41 der BEITRÄGE veröffentlichten wir die bisher nicht in der Rudolf Steiner-Gesamtausgabe erschienene Ansprache Rudolf Steiners vor sämtlichen Mitarbeitern des Bundes für Dreigliederung in der Champignystraße 17 vom 1. August 1920, mit der Rudolf Steiner Herrn Walter Kühne als Leiter des Bundes für Dreigliederung des sozialen Organismus einsetzte. Walter Kühne verfaßte seinerzeit noch im selben Monat seine "Leitgedanken für die Bundesarbeit und Mitteilungen der Bundesleitung", die er vertraulich nur für die Mitglieder veröffentlichte.

Die Zusammenhänge der damaligen Vorgänge sind in dem Buch von Walter Kühne "Stuttgarter Verhältnisse" (Novalis Verlag, Schaffhausen. 1989) nachzulesen. Das Buch ist inzwischen vergriffen. Der LOHENGRIN-VERLAG konnte einige Exemplare vor dem Unausweichlichen retten und bietet nun diese wenigen Exemplare zum Stückpreis von nur DM 10.- unseren Lesern an.

Die Zeit erscheint uns reif, auch die "Leitgedanken.." vom August 1920 heute interessierten Lesern zugänglich zu machen. Insgesamt liegen uns vier Ausgaben vor, von denen jeweils eine in den folgenden vier Ausgaben der "Beiträge .." veröffentlicht werden sollen.


Quelle: Beiträge zur Dreigliederung, Anthroposophie und Kunst, Heft 46, 1998. Nachdruck mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers. Ursprünglich August 1920, als Manuskript gedruckt.